© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/99 04. Juni 1999


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Karl Heinzen

Als letzte der wichtigen politischen Kräfte unseres Landes hat sich nun auch die FDP auf ihrem Bremer Parteitag mit dem Kosovo-Konflikt befaßt. Es ist immer richtig, wenn über solch ein Thema im größeren Kreis gesprochen wird, auch wenn die Signale, die die Delegierten in diesem Fall setzten, in den Hauptstädten der kriegführenden Mächte widersprüchlich aufgefaßt werden mögen. Die Liberalen weigern sich unverändert, so die dem Parteitag abgerungene Beschlußlage, den sogenannten Einsatz von Bodentruppen nicht auszuschließen. Belgrad soll gleichwohl nicht glauben, daß es deshalb ungeschoren davonkommen kann. Die Drohkulisse der Nato wird die bleiben, die sie ist. So viel Außenpolitik auf einmal sollte die Menschen daran erinnern, daß die FDP dieses Ressort über Jahrzehnte geprägt hat. Die damit verbundenen Namen mögen vergessen sein, die Auswirkungen bleiben spürbar: In absehbarer Zeit dürfte in der Außen- und Sicherheitspolitik unseres Landes tatsächlich nicht viel mehr als Kontinuität möglich sein.

Bei der FDP lebt dank dieses Hintergrundes das Bewußtsein fort, daß in der Außenpolitik keine anderen Wertmaßstäbe gelten können als in der Innenpolitik. Im Krieg gegen Serbien zum Beispiel sind die Flugzeuge der Nato rund um die Uhr im Einsatz, sieben Tage in der Woche, Sonn- und Feiertage eingeschlossen. Diese Erfahrungen auf dem krisengeschüttelten Balkan sollten uns in der mitteleuropäischen Zone der Stabilität und des Wohlstandes nachdenklich machen: Der Ladenschluß kann nicht länger tabu sein, er muß fallen. Die ökonomische Vernunft darf nicht den Sonderinteressen der Müden und Faulen geopfert werden: Vielen Claqueuren des Feierabends kann mit Fug und Recht nachgesagt werden, daß sie die nächtliche oder auch sonntägliche Arbeit zwar vehement verunglimpfen, sich aber nicht scheuen, genau diese von ihnen verteidigten Stunden zur Erfüllung von allen möglichen privaten Bedürfnissen zu verschwenden. Selten ist aber durch Schlaf oder andere Freizeitvergnügungen etwas Produktives für unsere Gesellschaft entstanden.

Auch beschäftigungspolitisch ist die Aufhebung des Ladenschlusses längst geboten: Man muß davon ausgehen, daß alle Arbeitsplätze geschaffen wurden, die in den derzeit gesetzlich zulässigen Tageszeiten möglich sind. Das Potential an Beschäftigungsverhältnissen läßt sich nur noch durch eine temporale Deregulierung erhöhen. Eine weitere Konzentration im Handel ist dabei nicht zu befürchten: Es gibt in zahlreichen Segmenten nicht mehr sehr viele Klein- und Mittelbetriebe, denen die Großen noch eigens durch verlängerte Öffnungszeiten den Garaus machen müßten. Wer dem Handel treibenden Mittelstand wirklich eine Perspektive für das 21. Jahrhundert eröffnen möchte, darf seine nächtliche Gewerbefreiheit nicht einschränken. Nur so kann die Politik hoffen, all die Wettbewerbsbeschränkungen zu kompensieren, die der Markt von sich aus produziert.


 
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