© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/99 04. Juni 1999


FDP-Parteitag: Liberale streiten um künftige Koalitionen
Schatten an der Wand
Karl Galster

Als am Freitag voriger Woche die 662 Delegierten der FDP zusammenkamen, um einen neuen Bundesvorstand zu wählen, war nichts so, wie es vor zwei Jahren gewesen ist. Besonders das Fehlen des Sponsors McDonald’s war doppelt schmerzlich, weil auf Betreiben des Bundesschatzmeisters erst einmal die Beiträge erhöht wurden. Die mögliche tiefe Ursache dafür: Schatzmeister Solms hatte es verschlafen, beizeiten staatliche Zuwendungen für die Parteikasse zu beantragen. Ob allerdings mit 15 Mark Mindestbeitrag sich über die 67.000 Mitglieder hinaus weitere Bürger für eine Mitgliedschaft in der Partei der Besserverdienenden begeistern lassen, ist mehr als fraglich. Immerhin hatte die FDP in den letzten zwei Jahren zehn Prozent ihrer Mitgliedschaft eingebüßt.

Das Interessanteste an solchen Parteitagen sind doch immer wieder die Personalwahlen. Gibt es keine Kampfkandidaturen, so sind doch immerhin die Stimmergebnisse von Interesse: FDP-Chef Gerhardt, der in einer kämpferischen Rede Rot-Grün den Kampf ansagte und die CDU aufforderte, endlich wieder nicht auf Platz, sondern auf Sieg zu spielen, erhielt mit 84 Prozent der Delegiertenstimmen ein vergleichbar bescheidenes Ergebnis. Sein Stellvertreter Brüderle hingegen heimste mit 605 Stimmen fast 93 Prozent Zustimmung ein.

Bei der Wahl des Schatzmeisters brach sich der Unmut der Delegierten Bahn, und der Wunschkandidat des Bundesvorsitzenden, der Bundestagsabgeordnete Friedhoff, fiel durch. Statt dessen bekam der niedersächsische Bundestagsabgeordnete Thiele den Posten in der FDP, der nicht nur bei den Liberalen als der unbequemste gilt, den eine Partei zu vergeben hat. Der daraufhin ausgesprochene Jubel im Lager der linken "Freiburger" war hingegen verfrüht. Ihre Repräsentantin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger blieb – obgleich ohne Gegenkandidat angetreten – weit unter der 400-Marke, die Jürgen Möllemann – ebenfalls ohne Gegenkandidat – erreichte. Der linke frühere JuLi-Bundesvorsitzende Kauch scheiterte bei den Präsidiumswahlen an dem früheren Bundeswirtschaftsminister in der Stichwahl. Beide hatten im ersten Wahlgang Walter Hirche aus Niedersachsen aus dem Rennen geworfen. Hirche hatte in der Vergangenheit daran mitgewirkt, die FDP in zwei Bundesländern zu ruinieren. Als Minister in Brandenburg trägt er eine Mitverantwortung an der verheerenden Wahlniederlage der Liberalen im Stolpe-Land.

Die Blätter, die das Ende der Amtszeit von Gerhardt vorhersagen und mit Brüderle oder Westerwelle einen neuen SPD-freundlichen FDP-Vorsitzenden am Horizont sehen wollen, jubeln wohl zu früh. Gerhardt steht für ein Bündnis mit einer CDU, die zunehmend die Nähe der SPD in der großen Koalition sucht, Möllemann, dessen Schatten an der Wand der Bremer Stadthalle überall sichtbar war, steht für ein sozialliberales Bündnis. Brüderle steht für alles, denn er hat bereits mit beiden großen Parteien Koalition geführt. Nach den nächsten Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen wird man weitersehen. Schafft die dortige FDP den Wiedereinzug in den Landtag und gleichzeitig die von Möllemann angestrebte sozialliberale Regierung, so sind Gerhardts Tage sicher gezählt. Geht Möllemanns Strategie nicht auf, wird sich Gerhardts Linie mit der bürgerlichen Präferenz durchsetzen.


 
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