© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/99 04. Juni 1999


Frankfurt am Main (I): Rosa-Luxemburg-Tage in der Goethe-Universität
Ideen für eine andere Republik
Ellen Kositza

Marxismus für das neue Jahrtausend" und seine konkrete Umsetzung in die Praxis durch den "Wiederaufbau einer aktivistischen Linken" stellte das Ziel der diesjährigen Rosa-Lixemburg-Tage dar, die zum dritten Mal in den Räumlichkeiten der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität über Pfingsten stattfanden.

Eingeladen zu den Debatten über "sozialistische Theorie und Praxis heute" hatte die vom Verfassungsschutz als linksradikal eingestufte Hamburger Zeitschrift linksruck. An allen nur denkbaren Orten in der Universität und im Stadtgebiet hatten aggressiv gelbe Plakate mit einer schwarzen geballten Faust für den Kongreß der linksradikalen Veranstalter geworben, der seit Mitte der 90er Jahre ein wichtiges Forum zur Repräsentation nach außen für die kleinen, aber höchstorganisierten Spittergruppen der bundesrepublikanischen Trotzkisten darstellt.

Gleichwohl will Universitätspräsident Meißner im Vorfeld der Veranstaltung nicht gewußt haben, an wen seine Räumlichkeiten vermietet würden. Eine Anfrage des Rings Christlich Demokratischer Sudenten (RCDS) in der davor tagenden Konventssitzung der Frankfurter Universität, inwieweit die Universität Räumlichkeiten an radikale politische Gruppierungen vermiete, blieb von ihm unbeantwortet. Meißner wüßte nichts von einem Kongreß von linksruck, verbesserte seine Aussage kurz darauf dahingehend, daß die Vermietung von Räumen des Hörsaalgebäudes nicht in seinen Geschäftsbereich falle. Die Raumverteilung sei Aufgabe des Kanzlers. Auf die Nachfrage des RCDS, ob dies bedeute, daß auch die DVU in seinen Räumen tagen könnte, ohne daß er etwas davon wüßte, hüllte er sich in Schweigen.

Daß die Universitätsverwaltung keine Schwierigkeiten mit der Vergabe ihrer Räumlichkeiten an eine als linksextrem eingeschätzte Organisation hat, bestätigte Universitätskanzler Busch im Konvent. Er sah keinen Anlaß, die Veranstaltung abzusagen, da "nichts Außergewöhnliches" von den Rosa-Luxemburg-Tagen zu erwarten sei.

Diskussionsforen zu dieser Großveranstaltung sprechen allerdings eine andere Sprache. In rund 60 Einzelveranstaltungen haben die Teilnehmer eingehend diskutiert, etwa über die Frage "Die Revolution in der Dritten Welt – 1959-1999: Kann Kuba durchhalten?" oder "Ist die Arbeiterklasse noch das revolutionäre Subjekt?" "Die Linke muß in die Offensive gehen", propagiert der Veranstalter und will den "Marxismus wieder zu jener Theorie der Rebellion machen, die er vor der Stalinisierung war". Eine Theorie, die "das System nicht nur ablehnt, sondern auch einen Weg zur radikalen Veränderung weist" und das "kapitalistische Profitsystem" beseitigt: Ohne Anwendung von Gewalt läßt sich eine solche Rebellion kaum vorstellen. "Bewaffnet Euch mit Ideen für die kommenden Kämpfe", lautete der offizielle Aufruf der Veranstalter. Daß diese Kämpfe nicht nur in den Köpfen der Teilnehmer stattfinden, zeigt die positive Bewertung von "Straßenschlachten in Spanien" und die sympathieschwangere Aussage über Anschläge auf Standaktionen der CDU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft: "Einige fangen an, dem Druck von rechts-oben den Druck von links-unten entgegenzusetzen." Die Veranstalter lassen keinen Zweifel am eigenlichen Ziel des Kongresses. Sie wollen eine andere Republik. Zu der PDS, die diesen Anspruch nicht radikal genug vertrete, wahrt man kühle Distanz.

Warum dieser Weg zu einer anderen Republik seinen Ausgang in Einrichtungen des eigentlich zu bekämpfenden Staates nehmen soll – etwa in der Frankfurter Universität – und von der Universitätsverwaltung auch noch unterstützt wird, mag Nicht-Trotzkisten nicht ganz zu Unrecht verwundern.


 
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