© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/99 18. Juni 1999


Lebensschutz: Erste Erfolge für die Initiative gegen Spätabtreibungen
"Wir müssen das unterbinden"
Alexander Schmidt

Die Zwischenbilanz der "Stiftung Ja zum Leben" anläßlich des Internationalen Tages für das Leben wird von den Lebensrechtlern der überparteilichen Kampagne weitgehend positiv bewertet. Ins Leben gerufen wurde die Aufklärungskampagne im vergangenen Jahr (die JF berichtete), als im Mai 1998 der Fall eines Oldenburger Babys für Aufsehen sorgte, das die eigene Abtreibung, und neun Stunden ohne medizinische Behandlung im Anschluß daran, überlebte.

Obwohl der Fall für den behandelnden Arzt keine weiteren Konsequenzen hat – eine Klage des Bundestagsabgeordneten Hubert Hüppe (CDU) wurde von der Oldenburger Staatsanwaltschaft abgewiesen –, betrachtet die Sprecherin von "www.Tim-lebt.de", Claudia Kaminski, die Kampagne bereits als Erfolg, weil das Problem der Spätabtreibungen jetzt in der öffentlichen Diskussion sei. "Damit ist unser erstes Etappenziel erreicht", so Kaminski weiter. Viele Menschen seien bestürzt und könnten gar nicht glauben, daß Abtreibungen von außerhalb des Mutterleibes lebensfähigen Kindern nach dem Gesetz überhaupt erlaubt seien, sagte Kaminski auf der Bilanzpressekonferenz in Bonn. Über 900.000 mal wurde die Internet-Seite "www.Tim-lebt.de" aufgerufen, durchschnittlich 2.600 mal pro Tag. Weiterhin seien 35.000 Unterschriften eingegangen, mit denen eine Initiative zur Nachbesserung des Lebensschutzes gefordert wird. Im Herbst ist die Übergabe der Unterschriften geplant, bis dahin hofft man, noch 15.000 Unterzeichner zu finden, um die Schwelle der 50.000 zu durchbrechen. Sogar die Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, die sich für einen möglichst frühen Zeitpunkt der pränatalen Diagnostik ausspricht, dessen Ergebnis dann zu einer Abtreibung führen kann, ist gegen die bisher praktizierte Handhabung. "Es ist grauenvoll, daß selbst in der 23. und 24. Schwangerschaftswoche, wenn das Kind schon lebensfähig ist, Abbrüche vorgenommen werden! Wir müssen das unterbinden, schlichtweg unterbinden", wird die Justizministerin in einem Blatt der Kampagne zitiert.

Die derzeit amtierende Bundesregierung sieht nach Angaben der "Stiftung Ja zu Leben" jedoch keinen Anlaß, den "Menschenrechtsskandal der Abtreibung von außerhalb des Mutterleibes lebensfähigen Kindern durch eine Gesetzesinitiative rasch zu beenden", kritisierte die Stiftungsvorsitzende Johanna Gräfin von Westphalen. Dies habe die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage von fast 90 Unionsabgeordneten gezeigt. Dort heißt es, daß der Schutz des ungeborenen Lebens "gleichermaßen für ein zu erwartendes behindertes wie nichtbehindertes Kind" gelte. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind nur 1.095 von 35.478 Abtreibungen pro Jahr auf medizinische Indikationen zurückzuführen.

Das Unbehagen gegen die bisher praktizierte Regelung des § 218 findet sich inzwischen fast überall. In der Bundesärztekammer sieht man "Handlungsbedarf zum Schutz des kranken und behinderten Lebens", und auch der Präsident der Hamburger Ärztekammer, Frank U. Montgomery, hält das Verfahren für "barbarisch". Eine Beteiligung an der Klage des Freistaates Bayern hält Johanna Gräfin von Westfalen, die gleichzeitig Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL) ist, nicht für ausgeschlossen. Trägt die Union die Klage mit, so besteht erstmals wieder die Möglichkeit, wertkonservatives Profil zu zeigen und die Rufe nach Erneuerung ernst zu nehmen. Als die Christdemokraten noch in der Regierungsverantwortung waren, wurde eine solche Klage gegen das geltende Abtreibungsrecht von dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl abgewehrt.


 
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