© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/99 25. Juni 1999


Italien: Die Wahlbeteiligung lag im europäischen Vergleich sensationell hoch
Berlusconi bleibt der Stärkste
Libero Gallo

Nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei, der Allianza Nationale (AN), hat Gianfranco Fini, der Partner des überagenden Siegers bei der Europawahl in Italien, Silvio Berlusconi, seinen Rücktritt angeboten. Fini will damit die Konsequenzen aus dem stetigen Niedergang seiner Partei bei den letzten Wahlen ziehen. Die AN hat eine beträchliche Anzahl von Stimmen an Berlusconi abggeben müssen. Sie verliert fast einen Drittel ihrer Wähler: von 15,7 Prozent im Jahre 1996 auf 10,3 Prozent bei der jetzigen Wahl. Forza Italia, die politische Formation des Medienzaren Silvio Berlusconi, und Emma Bonino, die ausscheidende EU-Kommissarin mit eigener Liste, sind die großen Sieger der Rechten bei der Europawahl in Italien. Forza Italia ist mit 25,2 Prozent der Stimmen die stärkste politische Kraft des Landes geblieben.

Dies überrascht nicht, wenn man bedenkt, daß Berlusconi über eine Reihe von privaten Sendern verfügt, die im Wahlkampf pausenlos und kostengünstig für die Partei ihres Firmenchefs geworben haben. Forza Italia profitiert außerdem vom Niedergang der regionalistischen Partei Lega Nord, deren Stimmenanteil im nationalen Durchschnitt auf 4,3 Prozent (gegenüber 10,1 Prozent bei den Parlamentswahlen von 1996) stark gesunken ist.

Kommunisten mußten eine Wahlschlappe hinnehmen

Die konservativen Wähler haben ihre Stimmen auf die Partei Berlusconis konzentriert und damit dessen Führungsrolle in der Opposition gegen die Mitte-Links-Koalition des Ministerpräsidenten D’Alema bestätigt. Aber auch andere rechte Parteien konnten Stimmen gewinnen. So ist die Postfaschistische MSI künftig im europäischen Parlament mit einen Sitz vertreten.

Die post-kommunistischen Linksdemokraten verzeichnen hingegen Einbußen (von 21,1 Prozent 1996 auf 17,4 Prozent 1999). Diese Niederlage ist jedoch zum großen Teil dem Erfolg der neuen politischen Gruppierung von Romano Prodi und Antonio di Pietro (Democratici) zu verdanken, die bei ihrer ersten Wahl schon 7,7 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Die österreichfreundlivche Union für Südtirol (UfS) mit ihrer Spitzenkandidatin Eva Klotz traten in einer Listenverbindung mit der Liga Venetia, Liga Emilia, Autonomia Integrale sowie Fronte Giuliano an, und verpaßte dennoch das Ziel eines Mandates. Jedoch konnte sie insgasamt 118.101 Stimmen auf sich vereinigen. Die Union erweist sich hierbei in Südtirol durchaus als zugstark. Sie errang 6,4 Prozent der Stimmen und damit beinahe ein Prozent mehr als bei der Landtagswahl im vergangenen Herbst. Die Kanditatin Eva Klotz alleine erringt 14.723 Vorzugsstimmen. Dies stellt einen ganz persölichen Erfolg für sie dar. Jedoch äußerte sie auch die Vermutung, daß die Menschen von der Bewegung genauso wie von der Lega Nord wesentlich mehr erwartet haben. Dies haben sich schließlich auch in den Wahlergebnissen niedergeschlagen, so Klotz. Das bei der Europa-Wahl noch geltende Proportionalwahlrecht begünstigt die Präsenz von zahlreichen kleineren Parteien, denen es vielfach gelang wenigstens einige Sitze im Europa-Parlament zu erobern und damit beträchtliche Geldrückerstattungen für den Wahlkampf zu bekommen. Ein Zeichen für die Medienmacht Berlusconis ist zudem die Europabegeisterung und hierdurch bedingt auch die hohe Wahlbeteiligung der Italiener, die bei 70,08 Prozent lag. Hierin mag zum Ausdruck kommen, daß die Italiener zu wissen scheinen, daß Euro und Regionalfond sich zu ihren Gunsten auswirkt.

Medien tragen zur EuropaBegeisterung in Italien bei

Die italienischen Europa-Abgeordneten sind die bestbezahlten Vertreter im EU-Parlament (umgerechnet rund 20.000 Mark Monatsgehalt gegenüber beispielsweise 13.000 Mark Monatssgehalt für die deutschen Parlamentarier). Oft jedoch wird der Sitz im EU-Parlament nur als lukratives Nebengeschäft betrachtet, zumal die italienischen EU-Abgeordneten in der Heimat oft andere Ämter bekleiden oder sonstigen Tätigkeiten nachgehen.

Diese skandalöse Praxis erklärt zum Teil den Erfolg der Liste der EU-Kommissarin Emma Bonino (8,5%) und der Liste des ehemaligen Ministerpräsidenten Romano Prodi, da viele Wähler von ihren Vertretern in Brüssel ein aktives Engagement für Europa und weniger Korruption erwarten. Man muß diese Wahlen als einen Erfolg der neozentristischen Forza Italia betrachten: Hauptgewinner dieser Wahl ist Sivio Berlusconi, der nun versuchen wird, seine innenpolitische Führungsrolle innerhalb der Opposition zu festigen und mittelfristig die Erbschaft der ehemaligen Democrazia Cristiana – nicht nur im Europa-Parlament – anzutreten.

Der Nationalen Allianz von Fini ist es dagegen nicht gelungen, innerhalb des rechtskonservativen Lagers an Profil zu gewinnen, so daß ihr die Gefahr droht, wieder in eine politisch unbedeutende Rolle zu versinken. Der Populismus scheint zur Zeit das Rezept des politischen Erfolgs zu sein, und niemand beherrscht diese Kunst besser als Berlusconi. Die Linksdemokraten des amtierenden Ministerpräsidenten D’Alema befinden sich in einer ernsten Krise, während das Ulivo-Bündnis von internen Streitigkeiten unter den zahlreichen Koalitionsparteien zerrissen wird. Regierungschef D’Alema wird als geschickter Vermittler versuchen, die aufsteigenden Kräfte innerhalb des Bündnisses wieder zu integrieren.


 
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