© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/99 02. Juli 1999


Haushalt 2000: Das "Sparpaket" der Regierung Schröder ist eine Luftnummer
Die neue Eichel-Diät
Roland Baader

Da ist sie nun also, die Zangengeburt nach monatelangem Wehengeschrei: Das "Zukunftsprogramm 2000" – oder "das größte Reformprojekt, das es je in der Bundesrepublik gegeben hat" (Originalton Schröder). Eine Mischung aus Budgetkürzung, Steuer- und Rentenreform, besser: ein "Reform" genanntes Gebräu, angerührt nach Zauberrezepten, die mit solider Spar- und Reform-Mathematik nichts zu tun haben.

Nehmen wir das von Finanzminister Eichel geschnürte "Sparpaket" von angeblich 30 Milliarden Mark für den Bundeshaushalt 2000: 30 Milliarden Einsparungen gegenüber was? Gegenüber dem Vorjahreshaushalt etwa? Keineswegs, denn im Vergleich zu 1999 sollen die Ausgaben nur um rund acht Milliarden Mark (auf 478 Milliarden) sinken. Was sich hier "sparen" nennt, errechnet sich also nach der Formel: Man blähe das Planbudget für den Haushalt des Folgejahres um zig Milliarden Mark auf, gehe dann unter dem Zwang der Verhältnisse auf die Ausgangsbasis zurück und nenne dies "Sparen im großen Stil".

Und wer glaubt, wenigstens die acht Milliarden seien echte Kürzungen, der hat noch immer nicht begriffen, wie das "Politik" genannte Geschäft mit der Macht funktioniert. Jedenfalls könnte so mancher Zauberkünstler bei der Ministerriege noch in die Lehre gehen. So aktualisiert zum Beispiel Meister Eichel aus der uralten Mittelfristplanung solche Ausgabenposten, für die inzwischen kein Bedarf mehr besteht, um sie alsdann wieder zu "streichen". Allein bei der Treuhand-Nachfolgerin BvS, die sich seit ein paar Jahren selbst finanziert, holt er sich auf diese zirzensische Weise fast eine Milliarde an Scheineinsparungen. Zauberlehrling Müller tut’s dem Meister gleich und streicht jene 550 Millionen beim Eigenkapitalhilfeprogramm für Jungunternehmer, die sowieso hinfällig geworden sind, weil man diese Hilfe 1997 in das ERP-Sondervermögen eingegliedert hat. Für das Jahr 2003 "kürzt" er 700 Millionen an Kohlesubventionen, deren Wegfall schon beim "Kohlekompromiß" vereinbart worden war. Eine reine Luftbuchung sind auch die zwei bis fünf Milliarden an Anpassungsverzichten, die man den Beamten und Versorgungsempfängern bei der Besoldung der nächsten zwei Jahre aufs Auge drücken will, denn mit der mächtigen ÖTV wird das nie und nimmer zu machen sein.

Wer das Sparpaket sorgfältig aufschnürt, wird also nur eines entdecken können: heiße Luft. Nicht vergessen sollte man hierbei, daß die für 2000 geplante Neuverschuldung von 49,5 Milliarden zwar um sieben Prozent niedriger als im Vorjahr liegt, daß es sich jedoch nicht um eine Verringerung der Bundesschulden handelt, sondern um 49,5 Milliarden an Mehr- oder zusätzlicher Verschuldung.

Und die Rentenreform? Auch hier weit und breit nichts als billige Tricks. Während die beschlossene Abkoppelung der Rentenerhöhung vom Lohnzuwachs das Versorgungsniveau in den kommenden beiden Jahren auf 66 Prozent senkt, rechnet Arbeitsminister Riester in der Lohnstatistik das Kindergeld aus den Nettolöhnen heraus, um mit dieser niedrigeren Bemessungsbasis ein Scheinniveau der Renten von 68,5 und 67,5 Prozent der Nettolöhne vorweisen können. Ohnehin drückt sich die politische Gilde seit Jahrzehnten um die einzig sinnvolle Reform – den konsequenten Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren – herum, weil dieses System, das uns seit langer Zeit schon von Ländern wie Chile und Singapur mit überwältigendem Erfolg vorexerziert wird, zigtausende Funktionäre überflüssig machen würde. Solange man die Tatsache verdrängt, daß das bestehende Umlagesystem der sicheren Unfinanzierbarkeit entgegensteuert und die Staatsschuld auf mehr als 300 Prozent des Sozialprodukts hochhievt, rückt dieses Land mit jedem Tag einen Schritt näher an den finalen Staatsbankrott. Reformen "im System" (im falschen nämlich) helfen nicht.

Fazit: Solange die Bürger der Politik mehr vertrauen als dem Markt, überantworten sie sich und ihr Leben den schaumschlägerischen Machteliten, deren Parteifarbe sie zwar mit dem Wahlzettel verändern können, nicht aber deren kleptokratische Energie. Das Schröder-Blair-Papier ist zwar ein Hoffnungsschimmer, aber ohne den Willen der Bürger zu viel mehr Markt und viel weniger Politik wird auch dieses Papier das bleiben, was "das größte Reformprojekt, das es je in der Bundesrepublik gegeben hat" jetzt schon ist: Eine weitere lieblich klingende Schalmeienmelodie im Konzert der Wölfe, die sich als Hüter der Schafe ausgeben.


 
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