© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/99 02. Juli 1999


Zynischer Friede
von Dieter Stein

Die deutsche Regierung hatte zum Beginn des Kosovo-Krieges alle Register gezogen, um die deutsche Beteiligung am Angriff auf Jugoslawien zu rechtfertigen. Von "Mörderbanden", "Konzentrationslagern" und von Völkermord war die Rede. Die KFOR-Truppen treffen nach dem jetzigen Einrücken auf die Orte, an denen serbische Soldateska, Polizeieinheiten und Paramilitärs gewütet haben. Es werden Gräber und Leichen gefunden. Doch die westliche Allianz wird Opfer ihrer eigenen Propaganda. Denn die schrecklichen Funde werden an den Bildern des Grauens gemessen, die Scharping & Co. zu Beginn des Krieges immer farbenfroher auszuschmücken wußten. Gemessen daran sind die bisherigen Funde ernüchternd. Es sind Zeugnisse von Massakern, die nach dem Beginn der Nato-Luftangriffe stattgefunden haben. Somit stellen diese Untaten eine Reaktion dar, die den Nato-Angriff nachträglich nicht legitimieren können. Sie diskreditieren vielmehr das ursprünglich proklamierte Ziel des Westens, mit dem Angriff Schlimmstes zu stoppen. Der Angriff wurde vielmehr erst zum Auslöser für die schlimmsten Verbrechen.

Der Bundeswehr-General Heinz Loquai, der als Beobachter für die OSZE bis zum Angriff der Nato im Kosovo war, griff dieser Tage in einem wenig beachteten Zeitungsgespräch die Nato scharf an: Bis zum Angriff habe es "zweifellos Chancen für einen Frieden im Kosovo gegeben". Die "pauschale, einseitige Parteinahme der meisten Nato-Staaten gegen die Serben und für die Kosovo-Albaner" habe die Chancen aber zunichte gemacht. Loquai fordert eine Aufklärung des Geschehens der "Vorkriegszeit". Erst der vom Westen erzwungene Abzug der OSZE-Beobachter habe die Albaner den Serben schutzlos ausgeliefert. "Die USA schienen ein militärisches Eingreifen schon vor dem Rambouillet-Gesprächen fest im Blick zu haben", so Loquai gegenüber der Berliner Zeitung.

Ferner wurde der Angriff mit dem Ziel begründet, ein "ethnisch reines" Kosovo und Vertreibungen zu verhindern. Das wird nun unter den wachenden Augen der KFOR-Soldaten realisiert. Zwar bemüht man sich, die UÇK zu entwaffnen. Nichtsdestotrotz säubern Albaner das Kosovo von Serben, verüben die gleichen Taten an den Serben, die man diesen vorher vorgeworfen hat. Nun werden die Bilder spärlicher und mit weniger theatralischem Begleittext über die Fernsehsender ausgestrahlt: Endlose Kolonnen notdürftig bepackter Autos, Trecker und Pferdewagen rollen in Richtung Serbien, alte Mütter werden von haßerfüllten Albanern verprügelt, Haus um Haus angezündet – und die Nato-Soldaten können meist nichts anderes, als den Abzug der Vertriebenen "friedlich" zu ermöglichen. Ein zynischer "Friede", der hier gefeiert wird ...


 
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