© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/99 02. Juli 1999 |
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Medien: Tagung des Vereins "Bürger fragen Journalisten" Grübeln und dübeln Bertram Dickerl Am letzten Juni-Wochenende veranstaltete der Verein "Bürger fragen Journalisten" seine diesjährigen Erlanger Medientage, die unter dem Motto "Wirtschaft Politik Medien: Wer bestimmt unser Schicksal?" standen. Eingeladen waren hochrangige Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien. Der Würzburger Soziologe Lothar Bossle ging in seinem Eingangsreferat "Verkürztes ökonomisches Denken, verkürztes politisches Handeln" mit der Vermessenheit des Rationalismus hart ins Gericht und erklärte Utopisten wie Marx und Engels eine klare Absage. Es laufe immer auf die Entscheidung zwischen "Praktikern der Nächstenliebe" wie Kneipp, Kolping und Bismarck oder "Theoretikern der Fernstenliebe" wie Marx und Engels hinaus. Wolfgang Donsbach, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Dresden, setzte sich mit der "Wirtschaftslage im Wahlkampf 1998: Realität und Medienrealität" auseinander. Donsbach zufolge verdanken FDP und CDU den Verlust der Bundestagswahl auch einer Verweigerung der Gefolgschaft in den Reihen christlich-liberaler Medien wie Rheinischer Merkur und Bild. Daß die elektronischen Medien hauptsächlich "Schröder-Themen" behandelten, mag kaum überraschen. Verwundert waren manche Zuhörer aber über die Aussage einer Umfrage, die besagt, daß Helmut Kohl mehr wirtschaftliche Kompetenz zugetraut worden sei als der CDU: "Die CDU hing an Kohl wie ein schlaffer Sack, nicht umgekehrt", so Donsbach. Kulturpessimistisch angehaucht mutete das Referat von Günther von Lojewski, ehemals SFB-Intendant, zum Thema "Wirtschaft und Medien: Ein Spannungsverhältnis" an. Von Lojewski spannte einen weiten Bogen von der Frühzeit des Fernsehens bis zur Etablierung des Privatfernsehens. Er malte eine düstere TV-Zukunft. Einige wenige Medienunternehmer könnten bald die Programme an allen Orten der Welt bestimmen, jeder Mensch werde jederzeit und überall überwachbar sein. Rainer Brüderle (FDP), ehemaliger Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz, beschäftigte sich mit der Frage "Wirtschaft Politik Medien: Wer gewinnt unser Bewußtsein?" Brüderle sieht die Zukunft optimistischer als von Lojewski: Auch wenn Schröder ein Medienkanzler sei und wir dem Infotainment "rot-grüne Koalitionskräche in Sesamstraßen-Art" verdankten, suchten Politiker immer die persönliche Begegnung. Nichtsdestotrotz bemängelte er, daß die Medien düstere Globalisierungsszenerien kreierten, die viele einschüchterten. Die Industrie werde zu negativ dargestellt, "Pop-Ökonomen" seien auf dem Vormarsch. Brüderle empfahl den Journalisten für die Recherche ein bewährtes Handwerkersprichwort: "Erst grübeln, dann dübeln". Die alljährliche Ehrung vorbildlicher Journalisten durch den Verein "Bürger fragen Journalisten" mit der Verleihung der "Goldenen Rosine" stand diesmal im Schatten der Krankheit des Preisträgers Fritz-Ulrich Fack (Frankfurter Allgemeine Zeitung), der deshalb nicht anwesend sein konnte. Stellvertretend für ihn nahm die Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann (Institut für Demoskopie Allensbach) die Auszeichnung entgegen. Noelle-Neumann würdigte die Verdienste des Preisträgers, der sich stets für die Unabhängigkeit der Demoskopie einsetze. |