© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/99 02. Juli 1999 |
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Oper: Martha Mödls Biographie "So war mein Weg" Mit Schwung singen Julia Poser "Ein Buch über mein Leben, bei meinem schlechten Gedächtnis!" wehrte Martha Mödl ab. Aber Thomas Voigt, Chefredakteur von Fono Forum und Opernliebhaber, fand die ideale Lösung: Ein Buch in Dialogform, in dem die große Sängerdarstellerin Martha Mödl dem Interviewer aus ihrem langen, ereignisreichen Leben witzig, herzerfrischend und ohne jede Eitelkeit erzählte. Sogar den fränkischen Dialekt der gebürtigen Nürnbergerin glaubt man bei der Lektüre zu hören. Es ist ein wunderbares Buch geworden über eine Künstlerin, die von 1942 bis 1998, also über 56 Jahre, auf allen großen Bühnen der Welt stand. Remscheid, Düsseldorf und Hamburg waren ihre ersten Engagements als "Erste dramatische Mezzosopranistin". 1948 sang sie in London erstmals die Carmen. Drei Jahre später lud Wieland Wagner sie nach Bayreuth ein, von dessen großartiger, bahnbrechender Arbeit sie heute noch schwärmt, wenn sie begeistert von den glücklichen Jahren in Bayreuth spricht. Als Brünnhilde, Isolde, Kundry, aber auch als Fidelio und Rosenkavalier feierte die Mödl Triumphe. Ihre Auftritte als Klytemnestra machten Furore, auch wenn sie selbst ihre Erfolge bescheiden herunterspielt. In den fünfziger Jahren reiste Martha Mödl mit Wagner-Partien durch Italien. An der Mailänder Scala traf sie Maria Callas, die sie als hochmusikalische Kollegin schätzte, weil sie sich wie sie selbst in jeder Partie verausgabte. Auf die Frage des Interviewers, ob wohl Onassis "ihr Typ gewesen sei", antwortete die Mödl entsetzt: "Nein, den hätten Smir schenken können!" 1963 begann der langsame Abschied von den hochdramatischen Partien zum sogenannten Charakterfach. Dazu gehören die Amme in "Frau ohne Schatten", die Künstlerin in "Jenufa" und immer wieder Klytemnestra in "Elektra". Daneben konnte man Martha Mödl in über 20 zeitgenössischen Opern hören, zum Teil für sie geschrieben. Noch im Alter von 80 Jahren sang sie in der Wiener Staatsoper die alte Gräfin in Tschaikowskis "Pique Dame". Mit entwaffnender Ehrlichkeit berichtet sie über Schmerzliches und auch Lustiges, über finanzielle Not in der Jugend, als der Vater sie und ihre Mutter verließ, über dreimaliges Ausgebombtwerden und die Zwangsarbeit in einer Munitionsfabrik. Aber auch über das Glück des ersten Engagements und ihre Erfolge, obwohl sie so gut wie keine gesangliche Ausbildung hatte. Sie besaß jedoch eine reiche, volle Naturstimme und hatte neben ihrer hohen Musikalität die Fähigkeit, eine Rolle intuitiv zu erfassen. Mit allen großen Dirigenten der Nachkriegszeit bis heute hat sie gearbeitet und weiß einiges über die "Pultstars" zu erzählen. Neidlos spricht sie über Kolleginnen, distanzierter über Regisseure, die gegen die Musik inszenieren oder sich nur selbst in Szene setzen wollen. "Den Richtigen" hat sie nie gefunden. Heute, mit 86 Jahren, ist sie zu der Einsicht gekommen, daß Beruf und häusliches Glück nicht miteinander zu vereinen gewesen wären. Ein gutes Beispiel für die selbstkritische Haltung der Sängerin ist das Kapitel "Platten-Hören mit Martha Mödl: Der Bayreuther Ring von 1953", der inzwischen auf CD herausgekommen ist. "Also das B ist in Ordnung. Aber das C am Schluß ist mir meistens mißlungen." Zufrieden lauscht Martha Mödl den "Hojotoho"-Rufen der Brünnhilde. "Jawohl! Das ist mir wichtig, daß die Spitzentöne nicht extra angesetzt werden, sondern daß man das Ganze in einem Schwung singt." Dieses Buch kann man, einmal damit angefangen, nicht mehr aus der Hand legen. Der sympathische, oft treffend komische Erzählstil der größten deutschen Sängerdarstellerin der Nachkriegszeit, vom Interviewer Thomas Voigt geschickt befragt, macht Martha Mödls Gespräche zu einem köstlichen Lesevergnügen. Julia Poser
Martha Mödl: So war mein Weg, Parthas Verlag, Berlin 1998, viele s/w-Fotos, Diskographie, 220 Seiten, geb., 48 Mark |