© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/99 09. Juli 1999


Tanja Kreil
Klägerin auf Waffengleicheit
von Kai Guleikoff

Es ist ungewöhnlich, wenn eine 22jährige Blondine vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg ihren Berufswunsch einklagen muß. Zumal, wenn es sich um eine Tätigkeit handelt, die traditionell als "besonders männlich" gilt und der immer mehr Männer den Rücken kehren. Doch für Tanja Kreil aus Hannover besteht kein Zweifel: Sie will Soldat werden. Nicht in den ausgewiesenen Möglichkeiten einer Sanitäterin oder Militärmusikerin, sondern als Spezialistin in der Elektronik-Instandsetzung. Das würde den Dienst mit der Waffe einschließen. Dagegen steht jedoch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland mit seinem Artikel 12.

Im Bezug auf Frauen schließt Absatz 4 mit der Aussage, daß sie "auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten" dürfen. Frau Kreil ist noch Zivilistin und unterliegt der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, da sie eine Aufnahme in den öffentlichen Dienst anstrebt. Mit Hilfe der Rechtsabteilung des Bundeswehrverbandes klagte sie vor dem Verwaltungsgericht Hannover. Ihre Begründung: Das Grundgesetz garantiere in Artikel 12 den freien Berufszugang und Artikel 3 verbietet nach dem Gleichheitsgrundsatz den Ausschluß von bestimmten Laufbahnen.

Der "Fall Kreil" ist nicht der erste derartige und wird auch nicht der letzte sein. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe befaßte sich bereits 1997 mit dem Versetzungsgesuch des weiblichen Stabsunteroffiziers Bettina Beggerow zu den Panzeraufklärern. Karlsruhe konnte jedoch im September des gleichen Jahres "formale Mängel im Vorlagebeschluß" entdecken und den Antrag an das Truppendienstgericht zurückweisen.

Die Richter in Hannover hatten Kenntnis von diesem Vorgang, riefen Karlsruhe nicht an und schalteten nach Luxemburg durch. Die obersten europäischen Verwaltungsrichter beschäftigen sich jetzt seit dem 29. Juni 1999 mit der Klage gegen den gesetzlichen Ausschluß von Frauen vom Dienst an der Waffe in der Bundeswehr. Die zuständige EU-Kommission hat zu diesem Verfahren nicht eindeutig Position bezogen. Allerdings rang sie sich zu der Feststellung durch, daß bestimmte technische Tätigkeiten bei der Installation, Unterhaltung oder Bedienung hochmoderner Waffensysteme ohne besondere Gefährdung oder den Einsatz körperlicher Kampfkraft geleistet werden können. Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes wird frühestens Anfang des Jahres 2000 gerechnet. Doch einen "Notausgang" haben auch diese Richter. Sie können sich für nicht zuständig erklären, da Verteidigungsfragen nicht in die Befugnisse der EU fallen.

Als Polizistin würde Tanja Kreil Dienst mit der Waffe leisten können und in einer deutschen Großstadt gefährdeter sein als im Kosovo. Oder sie heiratet in einen EU-Nachbarstaat (mit den Ausnahmen Italien und Portugal) und wird mit Annahme der dortigen Staatsbürgerschaft Soldatin.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen