© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/99 09. Juli 1999


Film: Im Alter von 90 Jahren starb der Regisseur Edward Dmytryk
Schicksalsweg eines Verfemten
Werner Olles

Anders als bei Elia Kazan haben das offizielle Hollywood und die internationale Filmwelt ihm nie verziehen. Es gab kaum jemanden, der sich nicht von ihm distanzierte, und selbst bei offiziellen Anlässen wie Filmfestspielen etc. war ihm die Verachtung seiner Kollegen gewiß.

Edward Dmytryk, der Sohn ukrainischer Eltern, die Anfang des 19. Jahrhunderts nach Kanada ausgewandert waren – dort wurde er am 4. September 1908 auch geboren –, gehörte seit den vierziger Jahren nicht nur zu den bekanntesten und profiliertesten amerikanischen Regisseuren, er war auch einer jener legendären "Hollywood Ten", die im Jahre 1947 von Senator McCarthy im Zuge einer durch den Kalten Krieg inspirierten antikommunistischen Hysterie vor das "Komitee für unamerikanische Aktivitäten" zitiert wurden. Dort sollten die Männer bekennen, ob sie jemals Mitglied der Kommunistischen Partei (KP) der USA gewesen waren oder mit ihr sympathisiert hatten. Alle zehn weigerten sich jedoch auszusagen und wurden daher zu jeweils einem Jahr Gefängnis und 1.000 Dollar Geldstrafe verurteilt.

Dmytryk flüchtete kurz nach dem Urteil nach England, drehte dort ein paar Filme, kehrte aber schon bald reumütig nach Amerika zurück, um fortan freiwillig mit den US-Behörden zusammenzuarbeiten. Nach dem Geständnis seiner eigenen kurzen – die Rede war von einigen Monaten – Mitgliedschaft in der KP nannte er zwei Dutzend weitere Namen sogenannter fellow travellers. Zu ihnen gehörten Drehbuchautoren, Regisseure, Schauspieler, Komponisten und Sänger, die alle auf die berüchtigte "Schwarze Liste" gesetzt wurden, was zumindest ihre berufliche Existenz für Jahrzehnte vernichtete, sie aber auch oft genug hinter Gefängnisgitter brachte oder in den Selbstmord trieb.

Dmytryk machte dagegen – nachdem man seine Haftstrafe aufgehoben hatte – in Hollywood ein große Karriere. Aber selbst seine besten Filme ließen noch immer etwas von der Tragik des Verrats und der Stigmatisierung des Verfemten erahnen. Sein Schicksal sollte ihn auch auf künstlerischem Gebiet nicht mehr loslassen.

So spielte unter seiner Regie Curd Jürgens den von einer treulosen Frau arglistig betrogenen, von seinen Schülern verachteten und schließlich von allen gemiedenen Professor "Unrat" in "Der blaue Engel"; Humphrey Bogart den vom Krieg zermürbten, nervenkranken und von seinen eigenen Offizieren schmählich im Stich gelassenen Captain Queeg in "Die Caine war ihr Schicksal"; Spencer Tracy den alten Rancher Deveraux, der durch seinen Starrsinn die eigene Familie und alles zerstört, was er sich aufgebaut hat, in "Die gebrochene Lanze"; Henry Fonda in "Warlock" einen Revolvermann, der seinen treuen Freund und Beschützer letztlich gegen seinen Willen töten muß; Marlon Brando in"Die jungen Löwen" den Wehrmachtsoffizier Christian Dietl, der kurz vor seinem Tod erkennt, daß Menschlichkeit wichtiger ist als jede Ideologie; Gregory Peck in "Die 27.Etage" einen Wissenschaftler, dem auf rätselhafte Weise seine Vergangenheit abhanden gekommen ist, und Jeff Chandler in "Im Kreuzfeuer" – übrigens einer von Dymtryks besten, wenngleich schwärzesten Filme – einen Detektiv, der ein antisemitisch motiviertes Verbrechen aufzudecken hat.

Dmytryks "Helden" sind allesamt selbst Gezeichnete, Getriebene, Menschen, die unter einem schrecklichem Druck und vor oftmals tödlichen Entscheidungen stehen. Unverkennbar sind hier die Parallelen zum eigenen tragischen Lebensweg und Schicksal des Regisseurs.

Edward Dmytryk, der Anfang der vierziger Jahre als einfacher Cutter in Hollywood begonnen hatte, galt bis zuletzt als Verfemter. Dazu mag beigetragen haben, daß er seine damaligen Aussagen über etliche Kollegen niemals öffentlich bereut hat. Er hat im Gegenteil immer darauf bestanden, daß er einer Ideologie, an die er längst nicht mehr geglaubt hatte, keine Treue schuldig war. Daß er dabei über die Schicksale der betroffenen Menschen kaum ein Wort verlor, war zusätzliches Wasser auf die Mühlen derjenigen, die nie bereit waren zu verzeihen.

Am 1. Juli starb Edward Dmytryk, der Geächtete, in New Mexico, wohin er sich vor den Anfeindungen des stahlharten US-Kulturbetriebes zurückgezogen hatte, im Alter von 90 Jahren.


 
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