© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/99 23. Juli 1999 |
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Griechenland: Der Nato-Partner wird weiter mit Skepsis beobachtet Osmanische Ambitionen Gregor M. Manousakis Die Türkei hat den Krieg der Nato gegen Jugoslawien voll und ganz mitgetragen. Anders als bei ihrer Teilnahme an der Intervention in Bosnien geschah dies mehr oder weniger kleinlaut: kein Wort über ihre "Pflicht, muslimische Minderheiten zu schützen", keine Freiwilligen zum "Schutz der muslimischen Brüder im Kosovo", nichts über die "Wahrnehmung türkischer Interessen in Südosteuropa". Zudem wurde in Athen registriert, daß während des Krieges und auch danach die türkischen Luftraumverletzungen in der Ägäis nachgelassen haben. Ankara hat im Kosovo lediglich politische Konformität mit der Nato und den Vereinigten Staaten gesucht. Dahinter stand die Sorge Ankaras, daß die Veränderungen des Völkerrechts und die Ausschaltung der Uno, so wie sie im Falle Jugoslawiens angestrebt wurden, sich wegen der Kurdenfrage gegen Ankara selbst wenden könnten. Gelegentliche Erwähnungen der internationalen, zumal der amerikanischen Presse, daß die "ethnische Säuberung" im Kosovo vor dem Beginn der Bombardierung nicht mit dem verglichen werden kann, was in der Osttürkei gegen die Kurden geschieht, haben in Ankara Angstzustände verursacht, trotz aller amerikanischen Beschwichtigungen. Die Türken wollen nicht unbedingt nach Europa Die Folge davon war, daß die Mutterland-Partei (AnaP) Mesut Yilmaz und die Nationalistische Aktions-Partei (MHP) Detlev Bahcelis beide Koalititonspartner der Regierung Ecevit, offen für die Aufgabe des Zieles der Türkei auftraten, EU-Mitglied zu werden und sich für ihre Hinwendungen nach Zentralasien und der islamischen Welt aussprachen: man wollte Abstand von Europa und den neuen Tendenzen des Völkerrechts gewinnen. Davon will jedoch Washington nichts wissen. Sein Ziel ist eine innerlich befriedete Türkei, die EU-Mitglied und tragfähige Basis seiner Interessen in Südwest- und Zentralasien wird. Um Ankara von der Ernsthaftigkeit dieser Absichten zu überzeugen, hat es eine neue Runde von Pressionen für die Anerkennung der Türkei als EU-Beitrittskandidat eröffnet. Zumindest nach außen hin ist Griechenland Hauptempfänger dieser Pressionen: Athen müsse seinen Widerstand gegen die EU-Mitgliedschaft der Türkei aufgeben. Es würde im Sinne großer EU-Mitglieder argumentiert, um türkische Europaambitionen abzulehnen. Unter diesen Umständen geriet Griechenland unter den Druck einer Vielfalt von Pressionen seitens Washingtons: die weitere Entwicklung des Zypernproblems, die Erfolglosigkeit in der Terrorismusbekämpfung, die Lieferung von schwerem Rüstungsmaterial gehörten dazu. Das State Department betont dagegen, daß es keinen Druck in dieser Richtung ausgeübt habe, es habe lediglich beide Seiten zu einem Dialog miteinander ermuntert. Die alte Forderung Washingtons in diesem Zusammenhang ist ein "Dialog" zwischen Athen und Ankara über alle Streitfragen zwischen beiden Ländern. Darunter gehören aber auch die Fragen der Grenzziehung des Festlandsockels in der Agäis und die Ansprüche der Türkei in der Agäis und im Libyschen Meer. Schon 1975 hatten die Ministerpräsidenten beider Länder, Demirel und Karamanlis, in Brüssel vereinbart, die Frage des Festlandsockels dem internationalen Gerichtshof in Den Haag zu überantworten. Wenig später lehnte aber Ankara diesen Weg ab und verlangte bilaterale Verhandlungen darüber, damit rechnend, daß Athen unter Druck der USA mehr hergeben würde, als Den Haag der Türkei verschaffen könnte. Die gleiche Haltung nimmt Ankara heute ein, nachdem es Ansprüche auf griechische Inseln erhob. Während Athen seit 1996 Ankara empfiehlt, Den Haag anzurufen, besteht die Türkei aus den gleichen Gründen auf einem "Dialog", den Griechenland strikt ablehnt. Die Stimmen, die in Hellas diesen Dialog gutheißen, sind eher pessimistisch. Sie weisen darauf hin, daß seit 1975 zehn solcher Dialoge geführt worden sind, jedoch ohne Ergebnis, seit es wegen unakzeptabler Forderungen Ankaras, weil die Türkei die getroffenen Vereinbarungen nicht einhielt, wie zum Beispiel das Protokoll über vertrauensbildende Maßnahmen vom Mai 1988. Papandreou selbst schätzt dagegen, daß die Absichten seines türkischen Amtskollegen positiv seien. Jedenfalls drängt im jetzigen Fall die Zeit für die Türkei. Sicherlich liegt es nicht in ihrem Interesse vor dem Hintergrund des Geschehens im Kosovo, die G8 zu provozieren, die während ihrer letzten Zusammenkunft eine baldige Lösung des Zypernproblems auf der Grundlage der Uno-Resolutionen verlangt haben. Außerdem soll im nächsten EU-Gipfel, im Dezember in Helsinki, ihr der Status eines Beitrittskandidaten zuerkannt werden. Washington bedeutet auf vielen Wegen Athen, sich gegen diese Perspektive nicht zu verschließen. Dieses will seine bisherige Haltung gegenüber der Türkei nicht ändern. |