© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/99 23. Juli 1999


Terrorismusbekämpfung: Reibereien zwischen Washington und Athen
Druck der USA auf die Griechen
Gregor M. Manousakis

Der Terrorismus trat in Griechenland erst 1974 auf. Nach jüngsten Angaben des State Department wurden 1998 die meisten Anschläge in den westlichen Welt in Griechenland verübt. Trotz blutiger Aktivitäten und Spuren ist es bisher nicht gelungen, die Attentäter zu verhaften.

Als Grund dafür gibt die griechische Seite an, die gefährlichste Terrorbande, der "17. November", träte sehr selten in Erscheinung. Zwischen zwei Anschlägen dieser Bande liegen Monate, oft Jahre. Andere Terrorbanden verüben nur nachts und meistens mit Gasflaschen Attentate, die nicht gegen Personen, sondern Sachen, Autos, Banken, Amtsgebäude gerichtet sind. Auch solche Banden treten in großen Zeitabständen auf und oft unter veschiedenen Namen. Die Technik der Anschläge läßt nicht immer auf die selben Täter schließen.

Viele Dienste westlicher Staaten sind vor Ort aktiv

Die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten für die Fahndung sind offensichtlich. In Sachen Terrorismus sind fast alle westlichen Geheimdienste helfend tätig. Trotzdem wirft Washington Athen vor, das Scheitern der Unterbindung des Terrorismus sei auch eine Folge mangelnden politischen Willens.

Washingtons Argumente dazu sind nicht von der Hand zu weisen. Oft haben amerikanische Stellen griechische Polizeioffiziere ausgebildet, die anschließend nicht in der Terrorismusfahndung eingesetzt wurden. Außerdem räumen nach amerikanischer Ansicht die griechischen Strafgesetze zu viele Rechte für mutmaßliche Straftäter ein. Blutspuren, die vermutlich von Terroristen stammen, bleiben ungenutzt, obwohl amerikanische Stellen eine Liste von über 60 verdächtigen Terroristen übergeben und verlangt haben, von ihnen Blutproben zu entnehmen. Die Griechen lehnen es ab, mit dem Argument, dazu hätten sie keine rechtliche Grundlage. Das stimmt zwar, wahr ist aber auch, daß die Polizei die Möglichkeit hat, unter verschiedenen Vorwänden Blutproben von jeder Person zu entnehmen, ohne das Recht offensichtlich zu strapazieren.

Nach Ansicht Washingtons müsse Athen eine spezielle Anti-Terrorgruppe bilden, deren Angehörige sich langfristig nur mit der Bekämpfung des Terrorismus befassen sollen. Dazu soll das Strafrecht so geändert werden, daß mutmaßliche Terroristen länger als bisher festgehalten werden können, und Hellas die Bekämpfung des Terrorismus zur ersten Priorität des Staates erklärt, so wie es früher in Deutschland, Italien und Frankreich geschah.

Athen lehnt diese Forderung ab, weist auf die Konformität des griechischen Strafrechts mit den europäischen Vereinbarungen über die Menschenrechte hin und spricht sein Vertrauen gegenüber den Stellen aus, denen die Terrorismusbekämpfung obliegt.

Mit diesen, an sich berechtigten Forderungen versucht der US-Botschafter in Athen, Nicolas Berns, nicht nur die Regierung, sondern auch einzelne Ministerien und Ämter unter Druck zu setzen. Auf Verständnis stößt er nicht; vielmehr wurde er zu einer beliebten Figur der Karikaturisten, die im Gewand und mit dem Gehabe eines römischen Prokonsuls Befehle nach allein Seiten erteilt. Zugleich lobt er die amerikanisch-griechische Zusammenarbeit in Sachen Terrorismus. Berns: "Die Regierung Simitis, Sicherheitsminister Crysochoides, Außenminister Papandreou und der Chef der griechischen Polizei haben Entschlossenheit bei der Bekämpfung des Terrorismus gezeigt."

Athen soll PKK-Terroristen bei sich ausgebildet haben

Der Grund der Haltung Athens liegt in dem Umstand, daß Washington die Frage des Terrorismus in Griechenland zu oft als politisches Druckmittel in sachfremden Fragen mißbraucht hat. So behaupten einschlägige Dienststellen in Athen, Washington spiele dann die Frage des Terrorismus hoch, wenn Athen unter Druck gesetzt werden soll. Dafür hat Washington mehrere Anlässe, wie die griechischen Widerstände gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei, selbständige Regelungen der griechischen Außenpolitik, so wie sie im Krieg gegen Jugoslawien offensichtlich wurden oder einfach, um Athen zu veranlassen, amerikanisches und nicht sonstiges Rüstungsmaterial zu erwerben. Dabei ist man gar nicht zimperlich.

So erklärte einmal das State Department, in Griechenland seien Kurden der PKK militärisch ausgebildet worden. Athen protestierte, und wandte ein, daß es dafür keine Beweise gäbe. Einhellig wird zudem in der Presse behauptet, die Forderung Washingtons, mit der Türkei eine Vereinbarung zur gemeinsamen Bekämpfung des Terrorismus zu treffen, laufe auf eine amerikanisch-türkische Kontrolle der griechischen Sicherheitskräfte hinaus.

Dies ist sicherlich eine Übertreibung, die aber das Mißtrauen demonstriert, das Athen gegenüber der engen Zusammenarbeit zwischen Washington und Ankara empfindet.

Dieses Mißtrauen wird durch die aktuelle Diskussion bestärkt. Washington verlangt von Athen einen Dialog mit der Türkei über alle anstehenden Fragen zwischen den beiden Ländern. Auch soll Athen über die völkerrechtswidrigen Ansprüche Ankaras auf die griechische Ägäisinseln verhandeln.

Dennoch gibt es Stimmen in Athen, die Nicolas Berns recht geben, wenn er sagt, "der Terrorismus betrifft nicht nur Griechenland, es handelt sich um eine Geisel für die ganze Welt, einschließlich unseres Landes. Deshalb wollen wir weder Griechenland kritisieren, noch Druck auf es ausüben".

Ein Teil der Presse tritt deshalb dafür ein, den amerikanischen Wünschen in Sachen Terrorismus entgegenzukommen. Dazu wird es wohl kommen, es sei denn, Washington besteht darauf, daß türkische Offiziere sich in griechischen Sicherheitsämtern einnisten, und so ein "Dialog" zwischen den konkurriereden Staaten an der Ägäis in Gang kommt.


 
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