© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/99 23. Juli 1999 |
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Oper: Wolf-Ferraris "Il Campiello" in Dessau Buntes Menschenleben Julia Poser Das Anhaltische Theater in Dessau ist wie immer eine Reise wert. Dort wird nämlich noch gutes Theater gemacht, und dafür bürgt der Name des Dessauer Intendanten Johannes Felsenstein. Mit der Aufführung der musikalischen Komödie "Il Campiello" in deutscher Sprache hat Felsenstein wohl allen Opernfreunden eine große Freude gemacht, denn dieses bezaubernde Lustspiel um einen kleinen Platz in Venedig (Campiello) ist nur selten auf deutschen Bühnen zu erleben. Wegen des großen Erfolges wird es ab September wieder aufgeführt werden. Der Komponist Ermanno Wolf-Ferrari wurde 1876 als Sohn des deutschen Malers August Wolf und der Venezianerin Emilia Ferrari in Venedig geboren. Seine Kindheit verlebte er in der Lagunenstadt. Seine künstlerische Ausbildung erhielt er in München, wie er überhaupt zeit seines Lebens mehr in Deutschland als in Italien wirkte. In seiner Musik vereint sich Deutsches und Italienisches aufs Schönste. Der Münchner Kritiker Alexander Berrsche schrieb 1935 über ihn: "Wolf-Ferraris Werke haben etwas unendlich Wohltuendes und Beglückendes. Mit der Herzenshöflichkeit und geisterfüllten Heiterkeit ihrer urbanen Haltung stehen sie in unserem Alltag als die letzten Sendboten des 18. Jahrhundert. Man liebt sie mit stiller und tiefer Dankbarkeit." Am häufigsten vertonte Wolf-Ferrari die Lustspiele des Venezianers Carlo Goldoni. "Il Campiello" ist eine musikalische Liebeserklärung des Sechzigjährigen an seine Geburtsstadt. In hellen fröhlichen Farben schildert er das turbulente Treiben der Bewohner irgendeines kleinen Platzes an einem einzigen Tag. Da gibt es drei verliebte junge Mädchen: Gasparina, Lucieta und Gnese und ihre drei Verehrer: den Cavaliere Astolfi, Anzoleto und Zorzeto. Dazu drei Mütter und den Onkel der Gasparina. Und alle diese Figuren begegnen sich auf dem engen Campiello. Da wird geratscht und getratscht, gestritten und gespielt, geprügelt und am Ende wieder versöhnt. Meisterhaft ist, wie Felsenstein die Musik in Aktion umzusetzen weiß und dabei seine Sängerschauspieler so führt, daß das Ganze nie in Klamauk ausartet, sondern buntes Menschenleben zeigt. Exzellent sind die Sänger. Magda Nador als vornehm tuende Gasparina, Anna Silvia Lilienfeld als resolute Lucieta und Doreen Hoffrichter als schüchterne Gnese drei hervorragende Soprane, die sich gut ergänzen. Geschmeidig in Stimme und Spiel Taimo Toomast als eleganter Cavaliere. Den eifersüchtigen Anzoleto singt Kostadin Arguirov mit rollendem Bass, und Wolfram B. Meyer (Zorzeto) ist mit zärtlichem Tenor der Traummann für die kleine Gnese. Alexandra Petersamer bringt stimmschön die Küchelbäckerin Orsola. Den vom ständigen Lärm genervten Doktor Fabrizio gibt Frank Gierlich mit viel Würde. Einfach köstlich die beiden alten Weiber, Cate (Günter Krause) und Pasqua (Mark Rosenthal), die Wolf-Ferrari für zwei Tenorbuffo bestimmt hatte. Das Bühnenbild von Fridolin M. Kraska zeigte stilecht ein malerisches Venedig, dazu paßten gut die hübschen Kostüme von Marlis Knoblauch. Wolfgang Kluge am Pult der Anhaltischen Philharmonie brachte mit viel Verve die lautstarke Fröhlichkeit, aber auch die zarte Melancholie in Gasparinas Abschiedsarie "Leb wohl, mein liebes Venedig", Wolf-Ferraris wohl schönste Melodie, die auch in der Ouvertüre, im Intermezzo und im Ritornell zum 3. Akt immer wiederkehrt. Julia Poser |