© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/99 23. Juli 1999 |
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Mondlandung: Neil Armstrong betritt am 21. Juli 1969 als erster Mensch die Oberfläche des Mondes Der Nachlaß von Peenemünde Kai Guleikoff Der 30. Jahrestag der Mondlandung von Apollo 11 nimmt im Jahreskatalog amerikanischer Feierlichkeiten einen besonderen Platz ein. Den Wettlauf um den Mond hatten die US-Amerikaner für sich entschieden. Das war in der damaligen weltpolitischen Situation keine Selbstverständlichkeit gewesen. Im Gegenteil, die CIA hatte für den 50. Jahrestag der Sozialistischen Oktoberrevolution am 7. November 1967 die sowjetische bemannte Mondlandung für möglich gehalten. Die "mächtigste Rakete der Welt" mit 600 Tonnen Schubkraft stieß jedoch an technologische Grenzen und konnte nicht fertiggestellt werden. Die Erdumkreisung des sowjetischen Flieger-Majors Jurij Gagarin vom 12. April 1961 mit Wostok I hatte den "Wettbewerb der Systeme" erneut beschleunigt. Am 25. Mai 1961 forderte Präsident John F. Kennedy in einer Rede vor dem amerikanischen Kongreß, vor Ablauf des Jahrzehntes den Fuß auf den Mond zu setzen. In Huntsville, Alabama, stand ein handverlesenes Team unter Leitung des gebürtigen Deutschen Werner von Braun bereit, die technische Herausforderung zu meistern. Von Braun war seit 1960 Direktor für Forschung des "George Marshall Space Flight Center" und bereits eine Legende als Pionier der Raumfahrt. Immerhin steht die "Wiege der Raumfahrt" im ehemaligen Jagdgebiet seines Großvaters an der Nordwestspitze der Ostseeinsel Usedom. In der relativ kurzen Zeit von 1936 bis 1943 entstand in Peenemünde das modernste Forschungszentrum der Welt. Mit 25 Jahren avancierte Werner von Braun im Jahre 1937 zum technischen Direktor der neuen Heeresversuchsanstalt. Die Idee von der Entwicklung einer Großrakete wurde bereits 1932 geboren, als von Braun und der Artilleriehauptmann Dornberger erkannten, daß in der gegenwärtigen politischen Situation die Waffenentwicklung vor der zivilen Nutzung an Bedeutung gewann. Die zahlenmäßige Unterlegenheit der Reichswehr sollte durch weitere Maximierung der Feuerkraft ausgeglichen werden. Der weitere Weg der Forschung im Nationalsozialismus ist bekannt. Nach 12jähriger Entwicklung startete am 3. Oktober 1942 die A-4 (V 2) als erste einsatzfähige Großrakete erfolgreich. Deutsche Wissenschaftler leisten Entwicklungshilfe Im Krieg schlug die Geburtsstunde der Raumfahrt. Nach dem Untergang der 6. Armee in Stalingrad verstärkte sich die Einflußnahme der SS auf das Tempo der Raketenentwicklung. Werner von Braun erhielt den Ehrendienstgrad eines SS-Sturmbahnführers. Das hielt ihn nicht davon ab, nach Hitlers Selbstmord die Übergabe an die US-Amerikaner vorzubereiten. 500 Ingenieure und ein technisches Archiv von 14 Tonnen geheimen Forschungsmaterials standen zur Übergabe bereit. Werner von Braun und 114 weitere Wissenschaftler erhielten sofort einen Jahresvertrag in den Staaten. Die Geheimdienstoperation "Overcast/Paperclip" ersparte Washington zwanzig Jahre Forschungsarbeit und etliche Millionen Dollar Forschungsbudget. Die Russen bekamen die ebenso befähigten "Unteroffiziere der deutschen Raketenforschung" um Helmut Gröttup und den einmaligen Industriekomplex Nordhausen/Harz mit seinen Windkanälen und Labors. Auch Moskau konnte einen großen technologischen Sprung machen, zu Sputnik I und Wostok I. Das amerikanische Apollo-Programm unter Leitung von Werner von Braun diente seit 1966 der unmittelbaren Eroberung des Mondes. Bis auf den Rückschlag vom 27. Januar 1967, drei Astronauten erstickten an Brandgasen in ihrer Apollo-Kapsel, verlief das Forschungsprogramm der NASA erfolgreich. Im Januar 1969 standen fünfzig Astronauten zur Auswahl für die erste und Ersatz-Crew der Mondlandung. Alle waren bereits im Apollo- und Gemini-Programm geflogen. Für die erste Mannschaft wurden ein ziviler Forschungsingenieur, Neil Armstrong, und zwei Luftwaffenoffiziere, Oberst Edwin Aldrin und Oberstleutnant Michael Collins, berufen. Die zweite Mannschaft bildeten die Astronauten James A. Lovell, William Anders und Fred Haise. Der Mondflug wurde als Medienereignis vorbereitet und inszeniert. Unmittelbare Vorbereitung und Start der 95 Meter langen Saturn-V-Rakete verliefen reibungslos. Die 100 Tonnen Schubkraft wurden am 16. Juli 1969 um 14.32 Uhr MEZ freigesetzt. Mit einer Geschwindigkeit von 10,8 Kilometern in der Sekunde erfolgte die Reise zum Mond. Am 21. Juli, 3.54 Uhr MEZ, begann die Fernsehübertragung in Schwarz-weiß-Bildern zur Erde. In einer drehbuchartigen Szenenfolge erlebten etwa 600 Millionen Fernsehzuschauer weltweit die Entstehung des ersten Fußabdruckes eines Menschen auf dem Mond. Zuvor wurde der Geschichte ein weiterer epochaler Satz hinzugefügt: "That's one small step for man, one giant leap for mankind (Für einen Menschen ist es ein kleiner Schritt, für die Menschheit ein gewaltiger Sprung)." Das Sternenbanner verdeutlichte ab 4.23 Uhr MEZ die Besitzergreifung. Diese Bilder wurden im Moskauer Kreml als historische Niederlage der kommunistischen Weltbewegung gewertet. Der "historisch bereits überlebte" Kapitalismus hatte einen einmaligen Propagandaerfolg zu verbuchen. Seit Gagarins Erdumkreisung war die sowjetische Besitzergreifung des Mondes "historisch voraussehbar". Die Staatsjugend in den Ländern des Ostblocks besang die Notwendigkeit des Russischlernens, weil "man auf dem Monde russisch spricht", wie es im Refrain eines Pionierliedes der 60er Jahre hieß. Die Gegenpropaganda der Staatsparteien setzte ein und trieb Stilblüten, wie: "Während des amerikanischen Mondlandeunternehmens stand eine sowjetische, bemannte Rakete bereit, um die amerikanischen Wissenschaftler im Havariefall vom Erdtrabanten zu evakuieren" oder "Wie bereits Lenin einschätzte, darf der Imperialismus in seiner staatsmonopolistischen Erscheinungsform nicht unterschätzt werden. Durch rigorose Kürzungen von Geldausgaben, besonders im Sozialbereich, ist er immer noch in der Lage, Spitzenleistungen in Wissenschaft und Technik kurzfristig zu erreichen." Technische Pannen und menschliche Schwächen Nicht wenige Ostblock-Funktionäre hofften noch auf ein Scheitern des Mondlandeunternehmens in seinem weiteren Verlauf. Den US-Amerikanern war auch das sprichwörtliche Glück der Tüchtigen hold. Alle technischen Pannen der Landefähre "Eagle" konnten rechtzeitig behoben werden. Der von allen Vorgängen weniger mitbekam als mancher Zuschauer auf der Erde, war Astronaut Michael Collins. Der kreiste in einer Höhe von 111 Kilometern über der Mondoberfläche. Da kein Fernsehapparat an Bord installiert wurde, sah er den berühmten "Auftritt mit dem linken Fuß" erst in einer Aufzeichnung nach der Rückkehr zur Erde. Der "Mondspaziergang" der Astronauten Armstrong und Aldrin im Mare Tranquilitatis (Meer der Ruhe) dauerte 2 Stunden und 31 Minuten. Der Rückflug begann am 22. Juli, der Eintritt in die Erdatmosphäre erfolgte am 24. Juli. Die Berührung der Wasseroberfläche des Pazifik erfolgt 950 Seemeilen südwestlich von Hawaii und 13 Seemeilen vom hinbeorderten Flugzeugträger "Hornet" entfernt. Die Mission hatte 8 Tage, 3 Stunden, 17 Minuten und 22 Sekunden gedauert. Armstrong, Aldrin und Collins hatten den Höhepunkt ihrer Karriere erreicht. Die drei Korea-Krieg-Veteranen hatten wieder alles gewagt und wieder alles glücklich überstanden. Nach dem Triumphzug durch Washington und die Staaten, folgten Einladungen in 34 Länder. Dann trennten sich die Wege der drei Helden. Neil Armstrong wurde Professor of Engineering an der Universität von Cincinatti und später Mitglied in Aufsichtsräten namhafter Wirtschaftsunternehmen. Edwin Aldrin wurde nicht General, hatte Drogenprobleme und trennte sich von seiner Frau. Als Pensionär verkaufte er seinen Namen für Werbespots im Fernsehen. Angeblich soll er unter dem "Stellvertreter-Syndrom" leiden. Ürsprünglich war er für den ersten Schritt auf dem Mond vorgesehen worden. Doch weit von Washington entfernt, nahm Kommandant Armstrong seine Entscheidungsbefugnisse auf dem Mond für sich in Anspruch und stieg als erster aus. So steht es jedenfalls im Buch "Bändigung des Feuers" von Michael Collins. Dieser Oberstleutnant wurde General der Air-Force, danach Staatssekretär für Öffentliche Angelegenheiten im US-Außenministerium. Nach Beendigung des Vietnamkrieges, als dessen Propagandaredner er wirkte, war er Direktor des Nationalen Raumfahrtmuseums der Smithsonian Foundation in Washington D.C. Heute ist Collins Herr seines eigenen Unternehmens, der Michael Collins Associates. Das Apollo-Programm endete mit einer Explosion an Bord von Apollo 13 am 13. April 1970. Ein glücklicher Umstand ließ die Besatzung überleben. Das Apollo-Nachfolgeprogramm fand dafür ein glücklicheres Ende mit der Rückkehr der letzten Skylab-Besatzung im Februar 1984. Nach der ersten Mondlandung verfügte Präsident Nixon die drastische Kostenreduzierung des auf ursprünglich sechs Milliarden Dollar veranschlagten Monderkundungsprogrammes. Die Mondlandung der Apollo 12 fand in den Medien nur noch vergleichsweise geringe Beachtung. Die Sowjetunion begann am 13. Oktober 1969 mit dem gleichzeitigen Start von drei Sojus-Raketen ihr Programm zum Bau von Orbitalstationen im erdnahen Raum. Werner von Braun wurde 1970 stellvertretender Direktor der US-Weltraumbehörde NASA. Am 16. April 1979 verstarb er mit 65 Jahren. Auf der Edelstahlplatte im "Meer der Ruhe" stehen die Namen Armstrong/Astronaut, Collins/Astronaut, Aldrin/Astronaut, Nixon/Präsident der USA. Der Name Von Braun/Projektverantwortlicher fehlt. |