© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/99 30. Juli / 06. August 1999


Kulturtagebuch: Josef Joffe soll Herausgeber der altehrwürdigen "Zeit"werden
Gestörtes Verhältnis zum Grundgesetz
Andreas M. Daniel

Ein unterschiedliches Echo hat die geplante Berufung des Ressortleiters Außenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung, Josef Joffe, zum Mitherausgeber der Zeit ausgelöst. So schwärmte die taz von einer "sensationellen Führungsverjüngung" in dem Herausgebergremium der Hamburger Wochenzeitung und spielte damit vorwitzig auf das Alter von Helmut Schmidt (80) und Marion Gräfin Dönhoff (89) an. Der Seitenhieb auf die betagte Runde traf mitten ins Schwarze: Warum ausgerechnet der mit immerhin auch schon bald 70 Jahren jüngste in diesem Kreis, Theo Sommer, dem 55jährigen Joffe Platz machen soll, darauf ist der Zeit-Verleger Dieter von Holtzbrinck bislang die Antwort schuldig geblieben.

Andere stören sich mehr an den inhaltlichen Positionen des designierten Herausgebers. In einem als "Dossier" betitelten Papier der "Deutschland-Bewegung" des Starnberger Friedensforschers Alfred Mechtersheimer zur Rolle von Josef Joffe in den deutschen Medien heißt es, die "selektive Moral atlantischer Geostrategen" sei Joffes "journalistisches Markenzeichen". Als außenpolitischer Ressortleiter der Süddeutschen Zeitung habe er sich "unablässig" für das Streben der US-amerikanischen Außenpolitik nach "imperialer Hegemonie" eingesetzt.

Das sieben Seiten dünne Papier enthält unter anderem eine kommentierte Auswahl von Zitaten aus Joffes Texten zum Golfkrieg 1990/91 sowie zum Kosovo-Krieg. Autor Roland Wuttke versucht den Nachweis zu führen, daß Joffe ein "gestörtes Verhältnis zum deutschen Grundgesetz" pflege. Als Beleg dienen ihm Joffes Plädoyers vom 28. und 29. Mai dieses Jahres für einen Einsatz von Bodentruppen im Kosovo und vom 14./15. August 1990 für die Entsendung der deutschen Bundesmarine in den persischen Golf. Damals leitartikelte Joffe locker vom Hocker: "Das Grundgesetz ist keine Zwangsjacke, und wer handeln will, muß nicht an der Verfassung fummeln."

Für Roland Wuttke liegt der Fall klar: In der unmittelbaren Nachkriegszeit hätte Joffe "den klassischen Presseoffizier im amerikanischen Sektor" abgegeben und als solcher "gute Chancen gehabt, bei Ernst von Salomons Fragebogen eine zentrale Rolle zu spielen".


 
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