© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/99 13. August 1999


Polizeieinsatz: Sondereinsatzkommando stört private Feier
Unvergeßliche Hochzeitsnacht
Ronald Gläser

Helmar Braun steht vor dem finanziellen Ruin. Sein Café in Dresden kann er derzeit nicht bewirtschaften, denn der Existenzgründer und sein Geschäftspartner waren auf einer Hochzeitsfeier in Berlin-Weißensee zu Gast, die von der Polizei in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli brutal beendet wurde. Jetzt hat der 28jährige Strafanzeige gegen ihm unbekannte Polizeibeamte gestellt. Weitere Opfer des Polizeiübergriffs während der privaten Feier haben ebenfalls Anzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden auf den Weg gebracht.

Gegen 23 Uhr waren an dem Samstag Abend etliche Polizeifahrzeuge vor dem Clubhaus des Vereins der "Wandalen" vorgefahren. Was dann geschah, beschreiben Augenzeugen übereinstimmend: Fünf Hundertschaften von Polizeibeamten und ein Sondereinsatzkommando verschafften sich Zugang zu den Räumlichkeiten, indem sie die Tür gewaltsam aufbrachen. Ein Haft- oder Durchsuchungsbefehl lag ihnen nicht vor. Die Anwesenden wurden per Megaphon aufgefordert, sich auf den Boden zu legen: "Dies ist eine Identitätsüberprüfung. Die Feier geht anschließend weiter", zitieren Anwesende den Einsatzleiter der Polizei.

"Ich wurde mit aller Gewalt zu Boden gebracht", berichtet der 28jährige Braun. Ein Bekannter erlitt schwere Verletzungen. Er mußte sich einer Operation unterziehen. Sämtliche Personen, die sich in dem Haus aufhielten, wurden einer Kontrolle unterzogen, die "nichts Relevantes" zutage brachte und "nach zirka zweieinhalb Stunden" endete, so die Braut des Abends, Susanne Bauer. Die 29jährige arbeitet in der Pressestelle der NPD in Stuttgart.

Mehrere Personen erlitten Platzwunden, eine Brille ging zu Bruch. Letztlich wurden vier Personen wegen keinerlei Vergehen vorläufig festgenommen. Dem einen wurde sein Hemd mit der Aufschrift "ACAB" zum Verhängnis, was Insider mit "All Cops Are Bustards" übersetzen. Ein weiterer Gast hatte ein auftätowiertes Keltenkreuz, das bei Verfassungsschützern als rechtsradikales Symbol gilt.

Das harte Vorgehen der Polizei im CDU/SPD-regierten Berlin markiert eine neue Qualität in den politischen Umgangsformen. Die "Identitätsüberprüfung" am 24. Juli wurde mit dem neuen Polizeigesetz in Berlin begründet, das es der Polizei ermöglicht, willkürlich "gefährliche Orte" festzulegen. Die Ansammlung von 90 "der rechtsextremistischen Szene zuzuordnenden Personen" sei eine Störung der öffentlichen Ordnung gewesen, so ein Polizeisprecher.

"Diese Vorgehensweise der Polizei war durch nichts gerechtfertigt", sagt Susanne Bauer, deren Hochzeitsnacht zu einem unvergeßlichen Erlebnis wurde. Von weiteren juristischen Schritten, die sie unternehmen wird, verspricht sie sich nicht viel. "Die Feier kann ich ja nicht wiederholen."


 
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