© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/99 13. August 1999


Kino: "Goodbye Lover" von Roland Joffé
Der Kampf ums Glück
Claus-M. Wolfschlag

"Goodbye Lover", der neue Thriller von Roland Joffé ("The Killing Field"), versteht es, zu verwirren. Was wird dem Betrachter hier eigentlich geboten? Eine Dreiecksgeschichte? Eine Vierecksgeschichte? Eine vertrackte Zweierbeziehung? Das teuflische Spiel einer durchtriebenen Einzelperson? Wer ist "Täter", wer das "Opfer"? Die Verwirrung ist beabsichtigt und zeichnet den guten Thriller wohl auch aus.

Recht exakt werden die Charaktere und Motivationen der Protagonisten herausgearbeitet, so daß ein differenziert dargestelltes Geflecht von Personen entsteht, deren Einzelbetrachtung keine Langeweile aufkommen läßt. Alle sind jung, schön und furchtbar habgierig. Keine schlechten Menschen an sich, vielmehr Getriebene ihrer Wünsche, Träume und Gelüste, die sie gegen die anderen durchzusetzen versuchen. Und es sind Menschen der perfekten Simulation von Fassaden. Ob Kirchenfreund, naive Kindfrau, trauernde Witwe, pflichtbewußte Detektivin – immer wird das wahre Handeln, die wahre Sehnsucht hinter einer Wand gespielter gesellschaftlicher Konventionen verborgen. Diese Menschen haben gelernt, gerade das nicht auszustrahlen, was sie in Wirklichkeit sind.

Sandra Dunmore (Patricia Arquette) beispielsweise gibt sich als das hübsche freundliche Mädchen von nebenan. Sie genießt das Leben, schlendert mit blondgefärbtem Haar und hochhackigen Schuhen durch die Straßen des Ortes, lächelt freundlich den Nachbarn zu und sammelt in der Kirche die Kollekte ein, während ihr, dem Alkohol zugeneigter, junger Ehemann Jake (Dermot Mulroney) durch seine cholerischen Anfälle regelmäßig an seiner Arbeitsstelle für Eklats sorgt.

Doch Sandras Fassade trügt, weiß sie doch ihre Intrigen zu spinnen und sich die Zeit mit extravaganten Sexspielen zu vertreiben. Als Objekt der Begierde hat sie sich den älteren Bruder ihres Ehemanns, Ben Dunmore (gespielt von "Miami Vice"-Star Don Johnson), ausgesucht, ein Managertypus, der seine Freizeit als Kirchenorganist verbringt. Ben spielt die verwegenen Abenteuer an gefährlichen Orten so lange mit, bis er – getrieben vom schlechten Gewissen gegenüber seinem Bruder und dem Wunsch, eine seriöses Leben zu beginnen – eine holprig beginnende Liebschaft mit seiner schüchtern wirkenden Arbeitskollegin Peggy Blaine (Mary-Louise Parker) aufnimmt. Doch nun dreht die Gehörnte Nymphomanin Sandra durch und bereitet Ben Szenen, während ihr Ehemann langsam hinter den Charakter jener Liason mit seiner Ehefrau kommt.

Das Unheil nimmt seinen Lauf. Ein Toter muß her – bloß wer wird es sein? Als dann schließlich die Tat vollbracht ist, stellt sich heraus, daß die Konstellationen neu gemischt werden müssen. Und wenn von drei übrig Gebliebenen zwei zuviel sind, muß der einmal eingeschlagene Weg anscheinend konsequent zuende geführt werden. Da wittert die spröde und abgeklärt wirkende Polizei-Kommissarin Rita Pompano (Ellen Degeneres) ihre eigene Chance…

"Goodbye Lover" ist ein Thriller über Menschen der 90er Jahre. Der kapitalistische Verteilungskampf von jedem gegen jeden um die Ressource Glück hat zur Verinnerlichung der Ellenbogengesellschaft geführt. Selbst menschliche Beziehungen scheinen nur auf Egoismus aufgebaut, und können sehr schnell (blutig) zerbrechen, wenn der Partner dem eigenen Glück im Wege zu stehen scheint. So ist "Goodbye Lover" vielleicht ungewollt auch ein Lehrstück über den Umgang mit sich und den eigenen Gefühlen in der westlichen Gesellschaft.


 
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