© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/99 20. August 1999


Kolumne
Sonntagsruhe
von Heinrich Lummer

Seit Wochen erscheint das Thema "Ladenschluß" immer wieder in den Spitzenmeldungen von Presse, Funk und Fernsehen. Seit Jahren taucht dieses Thema immer wieder in der politischen Diskussion auf, als handele es sich hier um eines der bedeutendsten Probleme der Republik. Tatsächlich haben die Ladenschlußregelungen Gesetzesrang. Deshalb mußte der Bundestag sich mehrfach damit beschäftigen. Der Schutz des Sonntag hat sogar Verfassungsrang.

Beide Aspekte sollte man nicht gleich vermengen. Der Ladenschluß als Gesetzesthema ist Ergebnis einer typisch deutschen Regelungswut. Die Politik und die Parlamente würden sich und dem Lande einen großen Gefallen tun, wenn sie die Fülle der Gesetze daraufhin überprüften, ob sie notwendig sind. Bei künftigen Gesetzen sollten sie nach dem Wort eines berühmten Mannes verfahren: "Wenn Gesetze nicht notwendig sind, dann ist es notwendig, sie nicht zu machen!" Das Ladenschlußgesetz ist nicht notwendig. Der frühe Verzicht auf das Gesetz hätte uns viele unnütze Debatten und viel Ärger erspart. Die Devise kann deshalb nur lauten: Schluß mit dem Ladenschlußgesetz.

Die Sonntagsruhe ist nun ein besonderes Thema. Die konsequente Ruhe am Sabbat, wie sie in Israel existiert, ist mehr Ausnahme denn Regel. In einem säkularen Staat ist sie kaum vorstellbar. In frühen Agrargesellschaften konnte man sich die Sonntagsruhe weitgehend leisten. Angesichts der Erschöpfung nach sechstätiger körperlicher Arbeit mußte man sie sich wohl auch leisten. Aber auch dort wollte am Sonntag das liebe Vieh versorgt sein, und mancher wollte seinen Ruhetag durch Gespräche beim Bier veredeln. Das setzte voraus, daß zumindest einige am Sonntag arbeiten. Schon im Anfang war also die Ausnahme.

In modernen Industriegesellschaften sind die Ausnahmen immer mehr geworden. Verkehrsunternehmen, Krankenhäuser, Vergnügungsbetriebe, Tankstellen und viele andere arbeiten, damit andere die Sonntagsruhe besser genießen können. Auch die Frage der Maschinenlaufzeiten hat das Tabu der Sonntagsruhe längst gebrochen. Und nun werden einige Kaufhäuser in großen Städten zum Kristallisationspunkt. Noch eine Ausnahme.

Wer hier liberal erscheint, muß längst nicht die Sonntagsruhe und den Kirchgang beseitigen wollen. Jeder in unserem Lande hat Zeit und Muße genug, um nach seiner Façon die Sonntagsruhe zu pflegen. Das offene Kaufhaus muß keinen hindern, nach dem durch menschliche Erfahrung bestätigten göttlichen Gebot zu leben und den Sonntag zu heiligen. Es muß nur jeder selbst entscheiden.

 

Heinrich Lummer, Berliner Innensenator a.D., war bis 1998 Bundestagsabgeordneter der CDU.


 
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