© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/99 20. August 1999


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Geschlechtertrennung
Karl Heinzen

Viele Mädchen, so mußte Else Hambsch leider beobachten, werden auf öffentlichen Bolz- und Spielplätzen von Jungen unterdrückt. Dagegen will sie mit ihrem Verein "Girlassic-Park" nicht nur demonstrieren, sondern Abhilfe schaffen: Gesichert durch einen zwei Meter hohen "und begrünten" Zaun sollen junge Frauen und Mädchen auf einem Freigelände in Ludwigshafen erstmals in der langen Geschichte ihres Geschlechts die Chance erhalten, frei von Furcht und Verfolgung ihren Vergnügungen nachzugehen. Die Geschäftsidee kann nun realisiert werden, weil die Stadtverwaltung der pfälzischen Metropole und die Landesregierung in Mainz die Anschubfinanzierung von insgesamt 400.000 Mark übernehmen. Dieser Betrag wird benötigt, um unter anderem einen Volleyballplatz, ein Fußballfeld, einen Grillplatz, ein Feuchtbiotop und sogar Duschen und Toiletten einzurichten. Über die bloße Absperrung hinausgehende Sicherungssysteme zur Wahrung der geschlechtlichen Homogenität dürften damit allerdings kaum zu finanzieren sein. Möglicherweise setzt "Girlassic-Park" auf den Willen der Besucherinnen, die Verteidigung ihres Lebensraumes notfalls selbst in die Hand zu nehmen. Noch eher kann der Verein aber darauf vertrauen, daß das Interesse am jeweils anderen Geschlecht nach Jahrzehnten der Koedukation und der Geschlechtermischung am Arbeitsplatz schlichtweg erloschen ist. Es geht längst nicht mehr darum, Rückzugsgebiete für weibliche Sonderinteressen in einer ansonsten feindlichen Umgebung zu etablieren, sondern um den Anfang einer neuen Koexistenz auf der Grundlage der Trennung, nachdem alle historischen Versuche des Zusammenlebens gescheitert sind.

Es ist Zeit, die Wahrheit zu akzeptieren, daß die Gemeinschaft von Mann und Frau eine Fehlinterpretation der Natur ist, die durch die soziale Wirklichkeit tagtäglich widerlegt wird. Als nützliche Illusion zur vermeintlichen Institutionalisierung der Brutpflege war sie entwicklungsgeschichtlich vielleicht lange verzeihlich. Heute aber muß um ein überleben der Menschheit nicht mehr gebangt werden, und es gibt eine beeindruckende Vielfalt der Fortpflanzungsprophylaxe, die ein selbstbestimmtes Leben in einer freien Gesellschaft ermöglicht.

Die fortschreitende Geschlechtertrennung mag eine Voraussetzung für eine friedliche Zukunft sein, weil im wirklichen Leben natürlich keine anderen Regeln gelten können als auf dem Balkan: Konflikte setzen zunächst die Begegnung voraus. Was dann als Unterschied erkannt oder als Gegensatz empfunden wird, ist im Detail oft zweitrangig. Es wäre allerdings irreführend, die Trennung in Mann und Frau bereits als abschließende Lösung zu betrachten: Sie darf nicht dazu mißbraucht werden, den Weg in die Vereinzelung, für den es so viele ermunternde Anzeichen gibt, aufzuhalten. Verwirklichen können wir uns nämlich nur als Einzelne – und auch nur so unseren Frieden finden.


 
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