© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/99 20. August 1999


Landtagswahl: Der sächsische CDU-Vorsitzende Fritz Hähle über den Wahlkampf der Union
Unsere Bilanz sieht sehr gut aus
Philip Plickert

Herr Dr. Hähle, Bayern und Sachsen sind gegenwärtig die einzigen Bundesländer mit einer reinen Unions-Regierung. 1995 holte die CDU mit Biedenkopf an der Spitze 58 Prozent der Stimmen. Können Sie dieses Ergebnis am 19. September wiederholen?

Hähle: Die Umfragen bescheinigen uns derzeit 54 Prozent, und wir beginnen unseren Wahlkampf am 28. August. Wir haben bei den letzten Umfragen immer steigende Zustimmung bekommen, und es ist nicht ausgeschlossen, daß wir – wenn es gut läuft – am Ende wieder so rauskommen wie 1994. Aber sicher ist dies keinesfalls.

Welche Themen stehen im Mittelpunkt Ihres Wahlkampfes, welche Erfolge kann die Regierung Biedenkopf vorweisen?

Hähle: Wir sind mit Thüringen gemeinsam vorn, was die wesentlichen Wirtschaftsdaten angeht. Genauso wie Bayern und Baden-Württemberg bei den westdeutschen Flächenländern an der Spitze stehen, liegen Sachsen und Thüringen in den neuen Ländern vorn. Markenzeichen ist überall eine starke CDU-Regierung. Wir haben die höchste Arbeitsplatzdichte in den neuen Ländern. Bei den Beschäftigten pro 1.000 Einwohner liegen wir in Deutschland an vierter Stelle nach Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Wir haben die geringste Verschuldung fast aller deutschen Länder. Vor uns liegt mit einer noch geringeren Verschuldung nur noch Bayern. Unsere Investitionsquote ist die höchste in Deutschland. Wir geben das meiste Geld für Straßenbau aus. Wir finanzieren unseren Hochschulen eine Ausstattung, die die zweitbeste ist in Deutschland, nach Baden-Württemberg. Das Land sieht gut aus, das bestätigen uns alle Gäste, die den Vergleich haben zu anderen Ländern. Also, unsere Bilanz ist sehr gut. Diesen Weg wollen wir fortsetzen, das ist die ganz einfache Botschaft.

Aber die Arbeitslosigkeit besonders unter Jugendlichen ist nach wie vor erschreckend hoch.

Hähle: Ja, die Arbeitslosigkeit ist überall in den neuen Ländern nach wie vor hoch. Wir haben von allen aber noch die zweitniedrigste Arbeitslosenquote und lagen jahrelang an der Spitze der Skala.

Weshalb ist die Union in den neuen Ländern denn so unterschiedlich stark? Ist der Grund dafür vielleicht im unterschiedlichen Milieus zu suchen – oder kommt dies auch durch die Persönlichkeit der Unions-Führungsleute?

Hähle: Es liegt etwas an den Milieus. Ich nehme an, daß in Brandenburg auch viele alte Kader aus der Berliner Gegend zu Hause sind. Dort gab es eine Konzentration dieser Leute. Wir haben aus Sachsen eher in die Berliner Richtung exportiert. Auch hatten wir eine gute Industriestruktur, die zwar teilweise zerstört wurde, aber das Potential der Leute, die etwas können, ist hier vorhanden. Die Sachsen sind von jeher eigenständig gewesen, nehmen ihre Dinge kräftig selber in die Hand. Das ist die eine Seite. Andererseits liegt es wohl auch daran, daß jeweils starke Persönlichkeiten an der Spitze des Landes stehen. In Brandenburg genießt Stolpe, wie man das auch einstufen mag, ein hohes Ansehen, und die Leute wollen Stabilität. In Sachsen genießt Biedenkopf ein überdimensional großes Ansehen. 81 Prozent würden ihn direkt wählen.

Bei der Bundestagswahl vor knapp einem Jahr kam die sächsische CDU auf magere 32,7 Prozent der Stimmen, und heute erreicht sie in Umfragen wieder über 50 Prozent. Ist das der Biedenkopf-Bonus?

Hähle: Unter anderem, denn wir haben bei Landtagswahlen immer besser abgeschnitten als bei Bundestagswahlen. Wir hatten 1998 wie alle deutschen Länder unter einem Tief für die Union zu leiden. Das ist aber überwunden, wohl auch wegen des schlechten Bildes, das die rot-grüne Bundesregierung im Moment bietet.

Rot-Grün fährt im Bund einen wirtschaftspolitischen Schleuderkurs: "Modernisierer" streiten mit "alten Genossen" um den richtigen Weg. Manche wollen mehr Liberalismus im Sinne des Schröder-Blair-Papiers, andere liebäugeln mit der PDS. Gibt es dieselbe Frontlinie auch in der sächsischen SPD?

Hähle: Die sächsische SPD versucht zumindest, ihren Abgrenzungskurs zur PDS beizubehalten. Das ist vor allem dem Vorsitzenden Kunkel geschuldet, der auch von diesem Flügel, der keine Zusammenarbeit wünscht, gestützt wird. Aber es gibt schon eine Trennlinie in der sächsischen SPD. Es gibt eine starke Gruppe, die eine Zusammenarbeit mit der PDS befürwortet oder zumindest befürwortet hat, als die SPD noch die Chance sah, die zweitstärkste Kraft im Lande zu bleiben.

Das sieht jetzt anders aus. Die Demoskopen geben der SPD nur noch 16 Prozent.

Hähle: Das ist soviel, wie sie 1994 erzielt hatte, nur die PDS ist etwas stärker geworden.

Wie sieht es denn mit der FDP aus? Deren Vorsitzender Rainer Ortleb hat ihr ja ein betont bürgerliches Programm geschrieben.

Hähle: Die FDP wird keine Rolle in Sachsen spielen. Die liegen zwischen ein und zwei Prozent. Ich glaube nicht, daß sie in den Landtag einziehen wird. Die Themen, die sie besetzt, sind im Grunde genommen längst erledigt. Was die FDP in Sachsen vorbringt, hat die CDU schon verwirklicht.

FDP und Grüne sind in keinem der fünf "ostdeutschen" Landtage mehr vertreten. Können die in den neuen Ländern überhaupt noch Fuß fassen?

Hähle: Bei der FDP glaube ich das weniger. Die Grünen schwanken etwas um die drei bis vier Prozent. Aber im Moment leiden sie auch ein wenig unter der Regierungsbeteiligung in Bonn bzw. Berlin.

In Sachsen ist auch Dieter Tannebergers "Landbund", eine bäuerliche Organisation mit fast 12.000 Mitgliedern, recht aktiv. Machen die Aktionen der von 1945 bis 1949 Enteigneten der CDU zu schaffen?

Hähle: Wir sind kein typisches Agrarland. Insofern spielen diese Themen hier keine große Rolle. Die Differenzen, die da entstanden sind, die sehen wir sehr wohl. Bloß wir müssen natürlich für einen gewissen Ausgleich sorgen. Unsere Landwirtschaft lebt auch ganz gut davon, daß es Agrargenossenschaften gibt. Und wir wollen natürlich keinesfalls, daß diese bei Eigentumsauseinandersetzungen zerbrechen. Recht muß Recht bleiben.

"Recht muß Recht bleiben", sagen Sie. Wie beurteilen Sie denn die bundesweite Anzeigenserie der Enteigneten, bei der hohe Unionsrepräsentanten wiederholt als Lügner bezeichnet wurden?

Hähle: Also, ich finde das etwas unappetitlich.

Und weshalb wehren Sie sich nicht mit einer Unterlassungsklage?

Hähle: Ich bin davon nicht betroffen. Insofern möchte ich mich nicht in diese Dinge einmischen.

Belastet die Affäre um den ehemaligen Innenminister Heinz Eggert, und neuerdings auch den Justizminister Steffen Heitmann, denen vorgeworfen wird, Ermittlungen behindert zu haben, Ihren Wahlkampf?

Hähle: Das ist keine große Affäre. Das Thema ist aufgeblasen worden wie eine Seifenblase, die bald zerplatzen wird.

Unter Kohl war das Verhältnis von Biedenkopf zur Bundes-CDU nicht das beste. Biedenkopf gilt als relativ isoliert, als "Querdenker", den man nicht zu Rate zog. Hat sich das nach Kohls Abgang geändert?

Hähle: Ich denke, daß man das generell so nicht sagen kann. Biedenkopf ist als Ratgeber immer gefragt gewesen, wenn auch seine Ideen in der Union nicht immer eine breite Mehrheit gefunden haben. Auch wird er in der nächsten Zeit wohl eher noch mehr gefragt sein, als dies bisher der Fall gewesen ist. Wenn er die Wahl wieder mit einem guten Ergebnis abschließt, ist er in der Tat als Ministerpräsident, der sich auf so eine Mehrheit stützen kann, wohl einsame Spitze in Deutschland. Nicht nur CDU-Vertreter suchen bei ihm Rat, sondern auch Regierungschefs SPD-geführter Länder.

Das Verhältnis Biedenkopfs zum CDU-Präsidium hat sich also gebessert?

Hähle: Wenn es überhaupt je so schlecht gewesen ist, wie das unterstellt wird.

 

Dr. Fritz Hähle geboren 1942 in Chemnitz, machte zunächst eine Lehre zum Mechaniker und Elektromechaniker. Anschließend begann er ein Fernstudium zum Ingenieur, das er 1986 mit der Promotion abschloß. Seit 1990 ist er Mitglied des sächsischen Landtages, seit 1994 Vorsitzender der CDU-Fraktion und seit 1995 Landesvorsitzender der Partei.


 
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