© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/99 20. August 1999


Gespräch: 1995 trafen sich Roland Bubik und Dieter Stein mit dem Zentralratsvorsitzenden
Ignatz Bubis legte das Dossier beiseite
Dieter Stein

Freitag, der 21. Juli 1995, 14.30. Termin im Bürohaus der Ignatz Bubis Unternehmensverwaltung in Frankfurt am Main. Brütende Hitze lastet über der Stadt. Gemeinsam mit JF-Ressortleiter "Zeitgeist & Lebensart" Roland Bubik bin ich zum Gespräch beim Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland geladen.

Roland Bubik hatte an Ignatz Bubis geschrieben. Wir wollten ein klärendes Gespräch. Eine der Kernthesen in Bubis’ damaligen Reden lautete, es gebe in Deutschland einen intellektuellen Rechtsextremismus, eine "Neue Rechte", die Stichwortgeber für gewaltbereite Neonazis sei. Ausdrücklich erwähnte er stets die JUNGE FREIHEIT als Blatt "geistiger Brandstifter". Wir waren davon überzeugt, daß Bubis sich dabei auf das stützte, was linksradikale "Rechtsextremismus-Experten" an Thesen verbreiteten und sich noch kein eigenes Bild gemacht hatte.

Roland Bubik schilderte in seinem Brief folgende Episode: Während des Studiums in Frankfurt am Main habe er eine Studentenbude gegenüber des Jüdischen Gemeindezentrums bewohnt. Wegen seiner Namensähnlichkeit (Bubik/Bubis) habe sich eines Tages einer der Drohbriefe, die Bubis täglich erhielt, an Bubik verirrt. Nachdem er, Bubik, den Brief gelesen habe, könne er nachvollziehen, wie sich der Empfänger solcher Briefe fühlt. Roland Bubik bittet Bubis um ein persönliches Gespräch, da wir die Bezeichnung als "geistige Brandstifter" als empörend empfinden.

Bubis antwortet und lädt zum Gespräch ein. So sehr man Bubis für seine Auffassungen und seine Politik kritisieren kann – wie sich herausstellt, war er ungewöhnlich oft bereit, das klärende Gespräch zu suchen, auch wenn er seine Meinung dabei revidieren mußte.

Wir werden von einer Mitarbeiterin ohne Umschweife ins Büro von Bubis gebeten, der uns auffordert auf einem Sofa Platz zu nehmen. Beim Gespräch zugegen ist noch ein junger Student, Mitglied der Jüdischen Gemeinde und der "Jungen Liberalen". Bubis war FDP-Vorstandsmitglied.

Während Bubis ein Schälchen Eis auslöffelt, kommen wir gleich auf das Thema des Schreibens zu sprechen. Ich unterstreiche, wie sehr uns der Vorwurf der "Schreibtischtäterschaft" und des "geistigen Brandstiftertums" empört und daß wir diesen Vorwurf nicht hinnehmen können. Bubis hört aufmerksam zu. Vor ihm liegt ein Stoß mit Papieren und Akten. Als oberstes sehe ich ein Dossier des Landesamtes für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen. Da nimmt Bubis den Bericht vom Stapel und zitiert daraus den Vorwurf des Antisemitismus gegen die JF. Begründet werde dies mit einer vermeintlich antisemitischen Glosse, die in der JF erschienen sei. Wir geben Bubis die Glosse ("Antisemiten!"), die im Ressort von Roland Bubik erschienen ist und Antisemiten im Gegenteil explizit verächtlich machte. Bubis liest sie durch, legt die Kopie zur Seite und schlägt das verleumderische Dossier zu. Für ihn ist dieser Fall nun offenbar erledigt. Übrigens hat der Verfassungsschutz NRW diesen Vorwurf später nicht wieder erneuert.

Wir erzählen von unseren Motiven, politisch-publizistisch aktiv geworden zu sein. Über den schwierigen Weg konservativer, demokratisch-rechter Publizistik, die terroristischen Angriffe gegen unser Zeitungsprojekt, das Verschweigen dieser Taten. Wir schildern, wie sich dieses Unrechtsbewußtsein angesichts von Verdrehungen und Unterstellungen verstärkt und uns motiviert, weiterzumachen.

Wir fragen, ob er eine demokratische Rechte in Deutschland nicht für legitim hält. Bubis stimmt zu und erzählt, daß er beispielsweise Briefe von Mitgliedern der Republikanern erhält, die ihm ihr Herz ausschütten und versuchen klarzumachen, daß ihre politischen Vorstellungen nicht antisemitisch sind – auch wenn die Medien anderes behaupten. Bubis hebt dies später in einem FAZ-Gespräch mit Wolfgang Schäuble hervor (siehe nebenstehendes Zitat).

Wir kommen auf das Problem der "multikulturellen Gesellschaft" zu sprechen. Ich vertrete die These, daß es eine geschichtlich große Leistung sei, in Deutschland die konfessionelle Spaltung in einem Verfassungsstaat austariert zu haben und über den Nationalstaat einen stabilen gemeinsamen Nenner gefunden zu haben. Sei nicht auch der Nationalstaat in Deutschland der beste Schutz für das schwierige Verhältnis zwischen Juden und Nicht-Juden?

Die "multikulturelle Gesellschaft" versteht Bubis nicht wie ich als polemischen Begriff gegen den demokratischen Nationalstaat Deutschland. Der Begriff ist für ihn vielmehr ein Synonym für Toleranz gegenüber dem Fremden. Bubis bekennt sein positives Verhältnis gegenüber der Nation, will aber nicht die politische Brisanz des Programms "Einwanderungsland Deutschland" erkennen.

Nach anderthalb Stunden trennen wir uns. Bubis’ nächster Termin drängt. Ein verabredetes Folgegespräch kommt leider nicht mehr zustande. Als wir aus dem Haus heraustreten, stehen Beamte in Zivil an der Einfahrt und an den nächsten Kreuzungen, um die Abfahrt des Zentralratsvorsitzenden abzusichern.

Seit diesem Gespräch hat Ignatz Bubis die JUNGE FREIHEIT nicht mehr als Zeitung von "geistigen Brandstiftern" und "rechtsextremen Schreibtischtätern" bezeichnet. Geliebt hat er die Zeitung nicht, sich später noch zweimal kritisch in Leserbriefen an die JUNGE FREIHEIT geäußert. Seine Rolle während der Kontroverse mit Martin Walser war unglücklich, Bubis maßlos und ungerecht. Dennoch bleibt mir die Bereitschaft zum ehrlichen und klärenden Gespräch haften.

 

Bubis nach dem Gespräch

"Ich habe einige Diskussionen mit der Neuen Rechten. Auch mit Redakteuren der Zeitung JUNGE FREIHEIT zum Beispiel. (...) Bei den jungen Leuten der Neuen Rechten gibt es einen interessanten Trend. Die sagen nämlich: Auschwitz war da. Auschwitz ist nicht zu leugnen. Das war alles schrecklich, und wir müssen damit leben und wir müssen das wissen. Aber das sollte uns nicht unser nationales und konservatives Denken behindern – was immer auch sonst da noch nachkommen mag. Ich merke auch, wie viele Parteileute der Republikaner das Gespräch mit mir suchen und deutlich machen wollen, daß ihr ganzes Denken mit Antisemitismus überhaupt nichts zu tun habe. Sie wüßten um dieses grauenvolle Geschehen im Nationalsozialismus, und sie legten dann Wert darauf, daß sie unter rechts, unter national nicht das Nationalsozialistische, sondern das national Wahre verstehen. Dieser Trend ist deutlich für mich erkennbar seit etwa zwei Jahren."

Ignatz Bubis/Wolfgang Schäuble, Deutschland wohin? Hrsg. von Frank Schirrmacher, Herder 1996


 
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