© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/99 27. August 1999


Kolumne
Im Visier
von Hans-Helmuth Knütter

Eine Groteske! Ausgerechnet die rot-grüne, angeblich linke Bundesregierung muß sich zunehmend linksextremer Attacken erwehren. Bemerkenswert ist die Unbefangenheit der neuen Bundesregierung, die nicht von links erpreßbar ist, wie die unsichere CDU/ CSU. Die hatte sich immer gegen die Jelpke und Buntenbach, vor 1989 gegen die SED zu rechtfertigen: "Wir sind auch antifaschistisch. Auch wir sind aus dem Widerstand entstanden." Stets war man unsicher wegen der Globke und Oberländer in den eigenen Reihen. Nun haben wir eine "Linksregierung". Und was tut die? Genau wie in England und Frankreich macht sie eine Politik, daß den "Kapitalisten" und der kapitalistischen Vormacht USA das Herz im Leibe lacht und allen bornierten Linken das Herz in die Hose rutscht. Wir erleben, daß die neue, angeblich linke Regierung für die Gleichberechtigung der deutschen Sprache in Europa eintritt, daß sie den Mut hatte, die deutsche Zahlmeisterrolle in Europa wenigstens in Frage zu stellen, auch wenn schließlich nichts erreicht wurde. Nie hätte die Regierung Kohl dergleichen gewagt ("das deutsche Ansehen im Ausland ist gefährdet"). Einer linken Regierung aber kann man weder mit der Faschismus- noch mit der Nationalismuskeule kommen. Im Gegensatz zu den "bürgerlichen" Parteien hat die SPD kaum mit dem Nationalsozialismus kollabriert und ist dehslab weniger erpreßbar.

Diese Unbefangenheit wirkt sich allerdings auch in unerwarteter Weise aus. Die Bundeswehr wird in einen richtigen Krieg geschickt, und die bekannten Töne "Nie wieder darf von deutschem Boden ein Krieg ausgehen" kommen nur als leises Gewinsel von ganz links außen. Und die rechte Opposition? Alle Unzufriedenheit kommt nicht den eigentlichen rechten Parteien zugute, sondern der CDU/CSU. Sie hat bei allen Wahlen seit September 1998 auf Kosten der Rechtsparteien gewonnen. Und nun richten sich die linksextremen Aktionen gegen eine linke Regierung, wie die Krawalle gegen die Bundeswehr ausgerechnet am 20. Juli am Ort des Widerstandes im ehemaligen Bendlerblock zeigen. Künftige Castortransporte wird der Grüne Trittin verantworten müssen.

Es ist also an der Zeit, daß die linke Regierung erkennt, daß auch ihr Hauptfeind links steht. Der Verfassungsschutz in Thüringen steht unter Beschuß einer Koalition aus PDS und DGB, weil er intensiv den Linksextremismus im Visier hat, und das Bundesamt für Verfassungsschutz hat kürzlich eine vielbeachtete Broschüre gegen die Antifa veröffentlicht. Warten wir alle mal ab, ob der Antifaschismus als Volksfrontkitt hält oder unter den Sachzwängen zerbröselt.

 

Prof. Dr. Hans-Helmuth Knütter lehrt Politikwissenschaft an der Universität Bonn.


 
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