© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/99 03. September 1999


Saarland: Offenes Rennen zwischen CDU und SPD / Grüne auf der Kippe / Rechte haben kaum Chancen
Für viele bleibt Oscar ein Kulissenschieber
Viktor V. Capé

An der Saar wird um die Mehrheit bei den Landtagswahlen am 5. September gekämpft, und Reinhard Klimmt scheut sich nicht, sich mit der Bundespartei anzulegen, die sich auch nach dem Rücktritt von Oskar Lafontaine weiter in einem Stimmungstief befindet. Von seinem Widerspruch verspricht er sich Vorteile und mehr Stimmen von den Saarländern.

Zweckorientierung vor der Wahl scheint der Grund, warum Klimmt offen in einem Brief auf Konfrontationskurs mit der Regierung Schröder gegangen ist, die ihm zu industriefreundlich agiert. Klimmt kritisiert nicht nur den angeblichen Wankelmut der Bundespartei, – sondern auch und insbesondere das Sparpaket von Finanzminister Eichel, der gerade erst betonte, die Politik seines Vorgängers von der Saar, Oskar Lafontaine, fortgesetzt zu haben. Das Sparpaket sei sozial unausgewogen, so Klimmt und seine Genossen von der Saar. Damit steht er in der SPD nicht mehr alleine. 34 Abgeordenete der Sozialdemokraten haben schriftlich erklärt, daß sie das Sparpakt Eichels und der Regierung in seiner Anlage für falsch halten. Doch das Präsidium der SPD stellte sich am Wochenende ohne Gegenstimme hinter den Kurs von Eichel und Schröder.

Auch die Affäre um Bodo Hombach kommt den Saarländern zupaß, die gerne in die Toscana fahren, auch Süditalien besuchen und von denen sich so mancher auch schon in einer Kulturreise von der maltesischen Sonne hat verwöhnen lassen. Es entspricht dem Lebensgefühl des "Saarländer de Luxe", dem "leichten Leben" zu frönen.

Nach der letzten im Saarländischen Rundfunk veröffentlichten Infratest-Umfrage hat das Abbröckeln der SPD, die unter Lafontaine noch deutlich über 50 Prozent erreichte, vorerst ein Ende. Die Sozialdemokraten an der Saar lagen hiernach bei 43 Prozent. Mit Hilfe der Grünen, die nur knapp die Fünf-Prozent-Marke überschritten haben, könne es also wieder eine Regierung Klimmt geben. Die FDP käme hiernach zur Zeit auf etwa drei Prozent.

Daß die SPD aufholen kann, liegt auch an dem As im Ärmel Klimmts: Oskar Lafontaine. Dieser betätigt sich, frisch erholt, wieder politisch. Der "Saar-Napoleon" und seine Mannen haben ihr Ziel – früher war es der Sturm von Bonn, heute drängt es sie nach Berlin – offensichtlich nicht geändert. Er versteht das Schicksal der Arbeiter von der Saar und will Arbeitern und Bauern verbunden sein. So war der Gegner dieses "Salonsozialisten" damals ein schwarzer Kanzler aus der Pfalz. Heute ist es ein Niedersachse aus Hannover. Wenn er auch nicht mehr an vorderster Front steht, bleibt er im Saarland für viele ein Kulissenschieber. Ob er seine Bühne bis Berlin auszudehnen kann, ist jedoch fraglich. Paris mit seinen Vororten läge heute da schon näher – aber die Sparpolitik, die Rentnern, Soldaten, Bauern und Arbeitslosen keine Verbesserungen bringt, trifft in sein "linkes" Herz – und das schlägt auch in Berlin.

Dabei agiert der studierte Physiker aus zweiter oder dritter Reihe. Die Mittel haben sich geändert, seine Absicht ist dieselbe: der Sturz des unmenschlichen Kapitalismus – und es ist ein Bonbon im Wahlkampf für Klimmt, sich der Unterstützung seines Weggefährten aus studentischen Zeiten sicher sein zu können. Für die Saarländer bleibt es wohl bei "unser Oskar" und "unser Reinhard", auch wenn Lafontaine in der Verantwortung als Finanzminister gekniffen hat, und niemand weiß warum.

Klimmt hingegen kann sich kaum mit Erfolgen schmücken, die andere zu verantworten haben. Denn der zeitweilige Rückgang der Arbeitslosigkeit ist sicher nicht der Erfolg Lafontaines oder Klimmts, eher der Schröders und Eichels. Aber beide Saarländer vertreten den traditionellen Kurs der SPD. Deswegen will Klimmt bei der künftigen Programmdebatte der SPD neben Rudolf Scharping eine führende Rolle übernehmen. "Die SPD braucht Leute wie Schröder und sein inhaltliches Profil. Aber sie braucht auch Leute wie mich, mit etwas anderen Inhalten", erklärte Klimmt und betont, daß es einen Kapitalismus wie in den USA hierzulande nicht geben solle. "Das soziale Netz darf keine zu breiten Maschen bekommen."

Klimmt findet sich in Übereinstimmung mit Kritikern aus der SPD-Bundestagsfraktion, den Grünen und aus den Gewerkschaften, die monieren, daß viele Wahlversprechen nicht eingehalten werden. Sie stoßen sich vor allem an der geplanten Rentenreform bei den Sparmaßnahmen. Der Löwenanteil der Einsparungen treffe diejenigen, die ohnehin von den Steuerermäßigungen für Arbeitnehmer nicht profitieren, nämlich Arbeitslose und Rentner, kritisierte der Chef der IG-Bau, Klaus Wiesehügel. Nach einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen (Saarbrücker Zeitung vom 31.08.1999) liegt die SPD (46 Prozent) knapp vor der CDU (45 Prozent), so daß der Sieg der SPD lange noch nicht festzustehen scheint, vor allem weil hiernach weder Grüne noch FDP eine Chance haben, im Saarländischen Landtag vetreten zu sein. Anders als bei Umfragen nach Parteienbevorzugung liegt Reinhard Klimmt selbst in der Wählergunst vor seinem Herausforderer Peter Müller. Klimmt kommt auf 46 Prozent, Müller nur auf 32 Prozent. 54 Prozent der Wähler im Saarland sind aber mit der Politik der Regierung im Bund nicht zufrieden. Sie unterstützen die Kritik Klimmts an Gerhard Schröder. 57 Prozent halten den Offenen Brief des Ministerpräsidenten an die Regierung für gut. Peter Müller könnte jedoch von dem positiven Bundestrend der CDU profitieren, auch weil ihn zwei konservative Leitfiguren der Union, die Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und Roland Koch, im Wahlkampf an der Saar unterstützen.

Nur geringe Chancen, in den Landtag einzuziehen, haben die kleineren Parteien, unter ihnen die erstmals kandidierenen Freien Wählergemeinschaften (FWG) und die Republikaner unter ihrem Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten Karl-Werner Weiß. "Mit einem Ergebnis von zwei Prozent wären wir schon zufrieden", räumt deren Vize-Chef Andreas Thies auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT ein. Bei der Landtagswahl 1995 erzielten die Republikaner 1,7 Prozent, bei der Bundestagswahl vor einem Jahr 1,2 Prozent.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen