© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/99 03. September 1999


Ausstellung: "Schatzkammer" im Kloster Sankt Marienstern
Rückschau auf Jahrhunderte
Helene Scharl

Stille breitet sich am frühen Sonntagnachmittag über die Oberlausitz aus. Der Wind treibt die dünnen Regenwolken vor sich her. Darüberliegende weiße Wolken schieben sich bedächtig nach Osten. Manchmal finden Sonnenstrahlen ihren Weg auf die Höhen und Täler des Mittelgebirges. Ein Spiel von Licht und Schatten, wie es nur in diesen Landschaften zu beobachten ist. Weit vor uns ragt, in Fahrtrichtung Kamenz, das steile Dach der Kirche des Zisterzienserinnenklosters Sankt Marienstern über die Bergkuppe. Rechts daneben blinken die Autokarossen vom nahegelegenen Parkplatz im Licht.

An diesem Tag laden zwei Ereignisse zum Fest "Mariä Aufnahme in den Himmel" zu einem Besuch des Klosters ein. Zunächst segnet der Bischof von Dresden-Meißen, Joachim Reinelt, im Umwelt- und Kräutergarten der Zisterzienserinnen-Abtei an einem der ältesten Marienfeste die für die Region typischen Gewürz- und Heilkräuter. Anschließend wird die Klösterliche Schatzkammer durch Äbtissin Benedicta Waurick feierlich eröffnet und danach vom Bischof gesegnet. Am Abend dieses 15. August trifft sich der Freundeskreis der Abtei Sankt Marienstern zu seiner ersten Versammlung.

Im vergangenen Jahr öffneten sich erstmals die Pforten zu einer Sächsischen Landesausstellung. Aus diesem Grund stellte die Äbtissin und das Schwesternkonvent des Frauenklosters für 128 Tage ihre Räumlichkeiten zur Verfügung. Selbst der bis dahin einer interessierten Öffentlichkeit nicht zugängliche Kreuzgang diente als Ausstellungsraum. Im Zusammenhang mit der historischen Rückschau auf die vergangenen Jahrhunderte sächsischer Geschichte stellte das Kloster noch nie öffentlich präsentierte Kostbarkeiten und Kunstwerke, Gemälde und Schmuck aus seinem Besitz aus. Der Zuspruch war überwältigend. Etwa 365.000 Besucher wurden in den wenigen Tagen zwischen Juni und Oktober 1998 gezählt, darunter eintausend Schulklassen, deren Kosten für die Busfahrt von der Sparkasse übernommen wurden. Ein würdiger Beitrag zur 750-Jahr-Feier des Zisterzienserinnenklosters Sankt Marienstern in Panschwitz-Kuckau, welches damit eines der wenigen über den gesamten Zeitraum bewirtschafteten Klöster Deutschlands und des deutschsprachigen Raumes überhaupt ist.

Dem Wunsch eines großen Kreises Interessierter wurde entsprochen und nun, fast ein Jahr nach Schließung der Landesausstellung, eine ständige Präsentation aus dem Fundus des Klosterbesitzes zusammengestellt. In den früheren Gästezimmern des Bernhardhauses fand die Ausstellung mit 150 zum Teil noch nie gezeigten Exponaten ihren Platz. In neun Räumen, die sich über eine Fläche von fast 300 Quadratmetern erstrecken, sind Werke der Malerei und Plastik, Goldschmiedekunst, Textilien, Handschriften, Glasgegenstände und Mobiliar aus dem 13. bis 18. Jahrhundert des Klosterbesitzes zu bewundern.

Die Feierstunde zur festlichen Eröffnung der Schatzkammer fand vor rund 200 Gästen im früheren Stallgebäude statt. Rustikale Bänke stehen auf dem rauhen Betonfußboden. Die sanierten Wände sind noch ohne Putz, der Tennenboden fehlt ganz, und die Dachsparren halten die neu verlegten Biberschwänze mit ihrer Lattung. Vor Abgeordneten des Europaparlamentes, des Bundes- und Landtages und anderen sächsischen Repräsentanten dankt die Äbtissin für die Unterstützung des Vorhabens durch die hiesigen Staatsministerien für Wissenschaft und Kunst sowie Wirtschaft und Arbeit. Es referierten noch einige Festredner.

Als musikalische Umrahmung dienten Werke des Komponisten Jan Dismas Telenka (1679–1745). Ein kleiner Zwischenfall am Rande während der Weihe und Segnung der Ausstellung durch Bischof Joachim Reinelt: Durch die Weihrauchdämpfe angeregt, reagierte der Brandwarnmelder.

Der Verantwortliche für die Ausgestaltung der Klösterlichen Schatzkammer war Marius Winzeler, der von Barbara Enderli aus der Schweiz unterstützt wurde. Im Vogtzimmer, ehemaliges Gastzimmer 1, sind Gegenstände aus der Zeit der Klostergründung, des Stifters Bernhard III. von Kamenz und seiner Familie untergebracht. Über die Adelsgesellschaft im Mittelalter und klösterliches Leben – Insignien der Äbtissin und Konvent, persönliche Gegenstände der Schwestern – und Frömmigkeit informieren dieser und der folgende Raum. Zu bewundern sind neben Bekleidungsfiguren auch Andachts- und Reliquienbilder, Goldschmiedearbeiten, Reliquiare, unter anderem eine Marmorbüste des lehrenden Jesusknaben, eine Arbeit von Nicola Pisano, um 1265, oder Barockkunst: Gold- und Silberarbeiten, Gläser, Skulpturen, Gemälde. Im sogenannten Rosenthalzimmer wird der Besucher über die Klosteranlage, die einzelnen Bauten und ihre Ausstattung informiert. Neben historischen Ansichten sind ein Altarmodell, Glasfenster und Fragmente von Wandmalereien zu sehen.

Die neue Schatzkammer des Zisterzienserinnenklosters Sankt Marienstern, Cisinskistraße 35, 01920 Panschwitz-Kuckau, ist Montag bis Donnerstag von 15 bis 17 Uhr; am Wochenende ab 13 Uhr geöffnet. Der Ausstellungskatalog von Heinrich Magirius und Marius Winzeler "Im Glanz der Ewigkeit, Kunstwerke im Kloster St. Marienstern", Verlag Janos Stekovics, Halle an der Saale 1999, geb., 80 Seiten, kostet 24,80 DM.


 
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