© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/99 03. September 1999


Oper: Cherubinis "Medea" in Trier
Die Rache einer Frau
Julia Poser

Vor einem Jahr entschloß sich Triers Intendant Heinz Lukas-Kindermann, die großartigen Monumente aus römischer Zeit in Deutschlands zweitältester Stadt für sommerliche Opern und Schauspielaufführungen zu nutzen und rief die Antikenfestspiele Trier ins Leben. In den Kaiserthermen, der wohl größten Bäderanlage nördlich der Alpen, wurde in diesem Sommer eine echte Rarität aufgeführt: Luigi Cherubinis tragische Oper "Medea". Unverständlicherweise war diese Oper nach ihrer Uraufführung im Jahr 1797 in einen langen Dornröschenschlaf gefallen. Erst Maria Callas gelang es 1953 beim Maggio Musicale in Florenz, "Medea" wieder zu erwecken.

Die Lebensdaten Cherubinis sind recht interessant. Er wurde 1760, ein Jahr nach Händels Tod, geboren. Als er 1842 starb, war er noch ein Zeitgenosse Verdis und Wagners. Sein künstlerisches Vorbild war Gluck, und er erlebte Cimarosa, Rossini und Donizetti, Spontini und Meyerbeer.

Wagner hielt "Medea" für ein "grandioses Kunstwerk", Brahms nannte die Oper "das höchste an dramatischer Musik". Beethoven pries den Komponisten als "den ersten unter den Zeitgenossen" und Schumann gar als den "herrlichen Cherubini" – Gründe genug für Intendant Lukas-Kindermann, "Medea" nun in den imposanten römischen Ruinen aufzuführen.

Musikalisch eindrucksvoll hat Cherubini die Figur der verstoßenen, verlassenen und gedemütigten Frau gestaltet. In vier großen Szenen zeichnet der Komponist ein überzeugendes Bild der mythischen Königstöchter, die sogar den eigenen Bruder opfert, um Jason zum Goldenen Vlies zu verhelfen. Vergeblich versucht Medea den ungetreuen Jason zurückzugewinnen. Voller Rache verflucht sie ihn, den Vater ihrer Kinder, und ihre Nebenbuhlerin Glauce. Demütig bittend steht sie vor Kreon, dem König von Korinth. In furchtbarer Verzweiflung entschließt sie sich zum Mord an ihren Kindern.

Medea ist eine gewaltige Partie. Neben ihr verblassen alle anderen Figuren zu Nebenrollen. Die Oper steht und fällt aber auch mit der Interpretin der Titelrolle. Und da haben eine Callas, eine Rysanek oder die Silja hohe Maßstäbe gesetzt. Für Trier war Sophie Larson ein Glücksfall. Als verlassene und verzweifelte Frau beherrschte sie durch ihre enorme Bühnenpräsenz von ihrem ersten Auftritt an die Szene und zog das Publikum in ihren Bann. Zuweilen war ihre Stimme liebevoll und zärtlich, aber in den furiosen Haßausbrüchen scheute sie selbst vor "häßlichen" rauhen Tönen nicht zurück. Nur Siegmund Nimsgern als imposanter Kreon konnte sich stimmlich neben ihr behaupten.

Innige Töne in diesem Drama brachte Eva Marlies Opitz als treue Neris, die mit schön timbriertem Mezzo im "Solo un pianto con te versare" (Laß mich nur eine Träne mit dir weinen) ihre Zuneigung zu Medea zeigte. Lucy Peacock in der kleinen Rolle der Glauce (Kreusa) konnte nicht so recht überzeugen, obwohl sie einen weichen Sopran besitzt.

Silvio Eupani Ferri als Jason stemmte sich nur mühsam durch die Partie. Zu alt? Indisponiert? Der regieführende Intendant zeichnete ihn bewußt als Schwächling, der in Glauces Schoß Schutz vor Medeas Zorn suchte. Lukas-Kindermann ließ bei statischer Regieführung das Pathos der Musik sprechen, so daß die Tragödie folgerichtig ihrem Kulminationspunkt zustrebte.

Das Bühnenbild von Susanne Thaler bestand lediglich aus einer schrägen Scheibe, in die Thermenanlage gestellt. Die Kostüme der Hauptdarsteller waren klassisch, die des Chors wirkten eher befremdlich.

Die Verlegung des Orchesters auf eine Zuschauerseite warf für das Zusammenspiel manche Probleme auf, die jedoch Istvan Denes am Pult des Städtischen Orchesters zufriedenstellend meisterte.

Unvergessen bleiben die Medea der Sophie Larson, Cherubinis Musiktragödie und der römische Thermenhintergrund.


 
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