© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/99 10. September 1999


Wahlen: CDU vorn / SPD im freien Fall / DVU wittert Morgenluft
Der rote Adler ist gerupft
Thorsten Thaler / Karl-Peter Gerigk

Nach dem Wahldebakel der SPD in Brandenburg buhlen CDU und PDS um die Gunst, Juniorpartner in einer von Ministerpräsident Manfred Stolpe geführten Koalitionsregierung zu werden. Am Montag bekräftigten die Spitzenkandidaten beider Parteien, Jörg Schönbohm und Lothar Bisky, ihre Bereitschaft zu einer Regierungsbeteiligung. Während PDS-Chef Bisky erklärte, er könne sich auch die Tolerierung einer SPD-Regierung vorstellen, bot der CDU-Landesvorsitzende Schönbohm den Sozialdemokraten eine "verläßliche Partnerschaft" für fünf Jahre an. "Wir haben die Bereitschaft, auch unangenehme Dinge zu machen, die im Land aber notwendig sind", sagte Schönbohm am Montag im Hessischen Rundfunk. Dies gelte vor allem für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und für Verbesserungen im Bereich Schule und Justiz

Bei der Wahl am vergangenen Sonntag büßte die SPD satte 14,8 Prozent gegenüber der letzten Landtagswahl 1994 ein und kam auf noch nur 39,33 Prozent der Wählerstimmen. Die CDU legte 7,8 Prozent zu und erreichte 26,55 Prozent. Drittstärkste Kraft wurde die PDS mit 23,34 Prozent. Sie verbesserte sich um 4,6 Prozent gegenüber 1994. Die Deutsche Volksunion (DVU) schaffte mit 5,28 Prozent erstmals in Brandenburg den Einzug in den Landtag. Grüne (1,94 Prozent) und FDP (1,86 Prozent) scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde (siehe Wahlgraphik).

Daß die DVU des Münchner Verlegers und Multimillionärs Gerhard Frey den Einzug in den Potsdamer Landtag schaffen könnte, hatte sich bereits in den Tagen vor dem Wahlsonntag abgezeichnet. Nach einer aufwendigen Werbekampagne (siehe Beitrag auf Seite 6 dieser Ausgabe) wurde die DVU in allen Meinungsumfragen bei fünf Prozent gehandelt. Zugute kam der schwer angefeindeten Rechtspartei schließlich auch die mit 54,4 Prozent niedrige Wahlbeteiligung.

Das beste Einzelergebnis verzeichnete die DVU im Wahlkreis Märkisch-Oderland II. Dort erreichte sie 7,4 Prozent. In den Wahlkreisen Elbe-Elster II und Spree-Neiße kam sie auf jeweils 7,1 Prozent. Das schlechteste Ergebnis mit nur 2,1 Prozent bescherten die Wähler der DVU im Wahlkreis Potsdam I.

Für den allein wegen des Ausmaßes der Verschiebungen überraschenden Ausgang der Wahl machten Landespolitiker aller Parteien hauptsächlich bundespolitische Einflüsse verantwortlich. Das Sommertheater der SPD und das von der rot-grünen Bundesregierung vorgelegte Sparpaket habe den Sozialdemokraten schwer geschadet und umgekehrt der Union kräftigen Rückenwind verschafft, urteilten übereinstimmend CDU- und SPD-Politiker. Ministerpräsident Stolpe erklärte die Stimmenverluste seiner Partei mit dem "schwerwiegenden Vertrauensverlust" in die Politik der SPD. Wahlforscher bestätigten diese Einschätzung.

Mit dem Verlust ihrer absoluten Mehrheit brechen für die SPD in Brandenburg schwere Zeiten an. Der selbstgefällige, manchmal bis ins Arrogante reichende Regierungsstil Stolpes gehört der Vergangenheit an. Die SPD wird wieder lernen müssen, Kompromisse zu schließen – gleichgültig für welche Koalition sie sich entscheidet.

Daß es künftig im Potsdamer Landtag kontroverser zugehen wird als bisher, dafür dürfte auch die fünfköpfige DVU-Fraktion sorgen. Noch am Wahlabend kündigte die vor laufenden Kameras etwas schüchtern wirkende DVU-Abgeordnete Liane Hesselbarth an, ihre Partei wolle den Regierenden "auf die Finger klopfen". Neben der 37jährigen Bürokauffrau aus Strausberg sitzen der Dreher Michael Claus (39) aus Petershagen, der Unternehmensberater Sigmar-Peter Schuldt (49), der Rentner Werner Firneburg (70) aus Müncheberg und die Chemie-Ingenieurin Birgit Fechner (34) aus Belzig für die DVU im Parlament.

Wie eigenständig die Fraktion agieren wird, bleibt abzuwarten. Zu ihrer ersten Pressekonferenz im Landtag am Tag nach der Wahl erschienen die Neu-Parlamentarier in Begleitung des stellvertretenden DVU-Bundesvorsitzenden Heinrich Gerlach und des Pressesprechers Bernd Dröse, die gemeinsam das Wort führten. "Wir etablieren uns als viertstärkste Partei im Osten," gab sich Gerlach selbstbewußt. Für die Landtagswahl in Thüringen am kommenden Sonntag rechnet er mit einem Ergebnis von sieben bis acht Prozent.

Davon kann die NPD unter Parteichef Udo Voigt nur träumen. In Brandenburg verfehlte sie ihr Wahlziel. Mit landesweit 0,7 Prozent blieb sie unter der für die Wahlkampfkostenrückerstattung maßgebenden Grenze von einem Prozent. Ihr bestes Ergebnis erzielte die NPD im Wahlkreis Oder-Spree II mit 2,1 Prozent. Ebenfalls über dem Landesdurchschnitt lag sie in der Uckermark, nordöstlich von Berlin. Dort kam sie in zwei Wahlkreisen auf 1,2 bzw. 1,6 Prozent.

Schwere Niederlage für die SPD auch im Saarland

Peter Müller hat es eilig. Der erfolgreiche CDU-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl im Saarland will sich bereits am 29. September als Nachfolger von Reinhard Klimmt zum neuen Ministerpräsidenten küren lassen. Im Landtag verfügt die Union jetzt über die absolute Mehrheit, weil Grüne und FDP klar an der Fünf-Prozent-Marke scheiterten.

Bei der Wahl am vergangenen Sonntag erreichte die SPD lediglich 44,4 Prozent der Wählerstimmen, fünf Prozent weniger als unter Oskar Lafontaine. Die Christdemokraten gewannen 6,9 Prozent hinzu und kamen auf 45,5 Prozent der Stimmen. Die Grünen erreichten nur 3,2 Prozent, und die Liberalen blieben mit 2,1 Prozent weit hinter ihren Erwartungen zurück (siehe Graphik).

Auch die Republikaner blieben mit 1,3 Prozent unter dem Ergebnis der letzten Wahl. Sie konzentrieren sich vor allem auf die Wahlen zum Berliner Abgeordentenhaus am 10. Oktober. Dort rechne man sich gute Chancen aus, erklärte der Bundesvorsitzende Rolf Schlierer. Er zeigte sich zuversichtlich, daß seine Partei auch bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen "ein deutlich besseres Ergebnis" erzielen werde.

CDU-Chef Müller betonte, man habe das Ergebnis erreicht, weil man hart darum gekämpft habe und weil sich die Landes-SPD mit Angriffen auf die Parteispitze selbst in Schwierigkeiten gebracht habe. Denn die Regierungspolitk färbe unweigerlich auch auf die Landespolitik ab. Rund 90 Prozent der Saar-Wähler hätten gegen Schröder gestimmt.

Der noch amtierende Ministerpräsident Reinhard Klimmt bewertete den Ausgang der Landtagswahlen trotz der Stimmenverluste für die SPD positiv. Er wünsche dem neuen Minsterpräsidenten viel Erfolg und eine glückliche Hand. Müller werde eine gute Basis vorfinden, welche die SPD geschaffen habe. Klimmt sieht auch nicht das Ende seiner politischen Regierung gekommen. "Ich bin aus Leidenschaft politisch engagiert und werde selbstverständlich weiterarbeiten", sagte der 57jährige. In welchen Ämtern dies jedoch sein werde, ließ er offen.

Auch im Saarland machte die SPD für ihre Wahlniederlage vor allem den Kurs der Bundesregierung verantwortlich. Der SPD-Fraktionschef Rainer Tabillion verlangte eine Veränderung der Strategie der Bundesregierung. In der Landespolitik könne er keinen Grund für die Wahlniederlage erkennen. Die saarländische SPD liege immer noch zwölf Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Klimmt werde nun, genauso wie der brandenburgische Landeschef Stolpe, der Regierung in Berlin klarmachen, daß diese bislang die Menschen nicht habe überzeugen können.

Für die CDU verbessert der Wahlausgang vom Sonntag die Aussichten für die Kommunal- bzw. Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und in Thüringen sowie in Sachsen (19. September). Ebenso wie Bernhard Vogel in Thüringen liegt der sächsische Regierungschef Kurt Biedenkopf in aktuellen Umfragen deutlich vorn.

Die Durststrecke der Sozialdemokraten ist noch längst nicht zu Ende.


 
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