© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/99 17. September 1999


Eine Hochburg wankt
von Michael Oelmann

Erdrutschartige Siege der CDU auch bei den Kommunalwahlen in NRW. Während die Christdemokraten unter dem Strich auf über 50 Prozent kommen, bricht die SPD von 42 auf 33 Prozent ein. Breiter konnte das Sieger-Lachen kaum sein, das Jürgen Rüttgers, neuer CDU-Chef im Bindestrichland an Rhein und Ruhr, fortan trägt. Die CDU hat ihr bestes Kommunalwahlergebnis in NRW erzielt. Auf dem Papier stimmt es also, wenn Rüttgers von einer "Zeitenwende" in NRW spricht. Freilich wissen aber auch die Christdemokraten in NRW, daß nicht alles Gold ist, was glänzt. Der Bundestrend eines schwachen politischen Gegners half ebenso zum Wahlerfolg wie die geringe Wahlbeteiligung, bei der bürgerliche Parteien traditionell weniger Schaden nehmen. Absolut gesehen hat die CDU sogar weniger Stimmen bekommen als 1994.

Dennoch ist jetzt das Rennen endgültig offen, wenn es im Mai nächsten Jahres um den Landtag in NRW geht. Und da geht es nicht nur um das größte Bundesland, sondern auch um die Frage, wer hinsichtlich der Verkörperung einer "modernen Politik" vorne liegt: SPD-Clement oder CDU-Rüttgers. Clement hatte es vom Kronprinzen-Image unter Rau zu einer ansehnlichen Reputation als Polit-Manager des Landes bis weit in konservative Kreise gebracht. Mit dem ehemaligen Forschungsminister Rüttgers steht ihm nun ein ernstzunehmender Kontrahent gegenüber, der vor allem auf Bildung und Wissenschaft setzt und damit moderne Inhalte antizipiert. Verliert die SPD im nächsten Jahr "ihr" NRW, dann wäre damit die stärkste Bastion des linken Systems in der Bundesrepublik gefallen, beginnend mit dem einflußstarken Westdeutschen Rundfunk bis hin zu vielschichtigen linken Instituten, Vereinen und Gruppierungen, die sich in NRW eines wohlgenährten Daseins erfreuen können.

Dieser Schlag ins Kontor der Gepflogenheiten des linken Stammlandes macht sich bereits jetzt bemerkbar, wo SPD und Grüne landauf-landab die Kommunen verloren haben, und vermutlich nach der Stichwahl am 26. September auch die Mehrzahl ihrer Bürgermeister. Es ging bei der Wahl vom Sonntag schließlich um die Kommunen und da um die ganz konkreten politischen Lagebilder vor Ort. Das bestätigte auch eine Forsa-Umfrage, der zufolge nur 19 Prozent der Wähler angaben, sich von der Bundespolitik bei ihrer Wahlentscheidung beeinflussen zu lassen. Wenn Rot und Grün daher auf breiter kommunaler Ebene – teils in ehemals tiefroten SPD-Hochburgen – abgestraft wurden, so auch deswegen, weil rot-grüne Minderheitenpolitik in den konkreten Fächern Verkehr, Parken und Schulwesen versagt hat.


 
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