© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/99 17. September 1999


Finanzpolitik: Zur geplanten Neufassung der Ertragsbesteuerung von Unternehmen
Den Kapitalbesitzer im Visier
Ronald Schroeder

Die Rot-Grüne Steuerpolitik ist in sich widersprüchlich. Das zeigt sich auch an der geplanten Neufassung der Ertragsbesteuerung für Unternehmen. Ursache ist ein ideologischer Grundkonflikt dieser Regierung. Das nicht mehr bezahlbare Sozialsystem zwingt zu stärkerer Eigenvorsorge. Gleichzeitig aber können sich die Sozialdemokraten nicht von ihrer Überzeugung trennen, daß es gute und schlechte Einkünfte gibt. Gute Einkünfte sind "Arbeitseinkommen", also Löhne und Gehälter. Schlechte Einkünfte sind "arbeitsfreie Einkommen", also Zinsen, Dividenden, Mieten und Erbschaften.

Arbeitseinkommen will man entlasten, die übrigen belasten. Daher wurde der Sparerfreibetrag auf nur noch 3.000 Mark im Jahr halbiert, Erben und Aktionäre sollen bluten. Gleichzeitig aber sollen die Menschen zum Sparen und Vorsorgen angeregt werden. Aus diesem Dilemma gibt es kein Entrinnen. Deshalb erweckt der Gesetzgeber nicht selten den Eindruck, daß er nicht mehr weiß, was er tut. Das bisherige System der Gewinnbesteuerung von 1977 war im internationalen Vergleich ein Juwel. Ohne übermäßig kompliziert zu sein, verhalf es zu absoluter Steuergerechtigkeit. Der von einer Kapitalgesellschaft ausgeschüttete Gewinn wurde mit 30 Prozent Körperschaftssteuer belegt. Diese bereits vom Unternehmen gezahlte Steuer wurde mit dem persönlichen Steuersatz des Aktionärs verrechnet (Anrechnungsverfahren).

Während Millionen Normalverdiener diese vom Unternehmen bezahlte Körperschaftssteuer zurückerstattet bekamen, mußten Großaktionäre die Differenz bis zu ihrem persönlichen Steuersatz nachversteuern. Der Haken dieses Systems war die Benachteiligung ausländischer Kapitalanleger. Die Möglichkeit zur Gutschrift der Körperschaftssteuer war auf in Deutschland veranlagte Steuerzahler beschränkt. Diese Diskriminierung von Steuerausländern soll es 2001 nicht mehr geben.

Das ist der einzige Vorteil der neuen Regelung. Danach werden Gewinne der Kapitalgesellschaften künftig mit 25 Prozent Körperschaftssteuer belastet. Eine Erstattung dieser Steuer ist nicht mehr möglich. Dafür muß die einem Aktionär gutgeschriebene Dividendenzahlung nur noch zur Hälfte mit dem persönlichen Steuersatz versteuert werden (Halbeinkünfteverfahren). Für Großaktionäre bringt das praktisch keine Veränderung. Je niedriger aber das sonstige Einkommen eines Aktionärs ist, desto nachteiliger wirkt sich die Neuregelung für ihn aus. Haushalte mit einem Steuersatz von unter 25 Prozent büßen schon allein durch den nicht mehr erstattungsfähigen Steuerabzug beim Unternehmen ein. Einem Anleger mit ausgeschöpftem Sparerfreibetrag werden weitere Merkwürdigkeiten auffallen. Während Zinsen (z.B. auf Bundesanleihen für den Aufbau Ost) voll versteuert werden müssen, bleiben Dividendenzahlungen zur Hälfte steuerfrei. Perspektivisch werden die Unternehmen bemüht sein, Gewinne nicht auszuschütten, sondern ihre Aktionäre über Kursgewinne am Unternehmenserfolg teilhaben zu lassen. Geradezu ein steuerrechtliches Desaster zeichnet sich noch aus einem anderen Grund ab. In der Vergangenheit gab es für die Unternehmen unterschiedliche Körperschaftssteuersätze auf einbehaltene und auf ausgeschüttete Gewinne. Einbehaltene Gewinne waren höher zu versteuern. Kamen irgendwann einbehaltene Gewinne zur Ausschüttung, erhielten die Unternehmen die Differenz zurückerstattet. Wie soll man in diesen Altfällen verfahren? Experten sind mit dem Problem befaßt. Es bleibt ein Trost: bis 2001 ist noch lange Zeit zum Nachbessern und Flickschustern.


 
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