© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/99 17. September 1999


Zitate

"Nicht nur Sloterdijk also hat Grund, sich in seiner Ehre verletzt zu sehen. Man kann sicher sein, daß er die öffentlichen Auseinandersetzungen vom Historikerstreit bis zum Streit um den ’Bocksgesang‘ von Botho Strauß genau studiert hat. Sie waren von einer eigentümlichen Asymmetrie geprägt: Nichts war einfacher, als von der Position eines fingierten demokratischen Konsenses aus in die Offensive zu gehen und die Angegriffenen in die Position von Geächteten zu treiben, aus der sie nicht mehr herausfanden. Bei diesem Spiel konnte man nur gewinnen: Der Angegriffene war schon der Verlierer. Ein braver Parteisoldat wie der Bundestagspräsident Jenninger, dem man seine Rede verübelte, konnte nicht im gleichen Tonfall antworten, einem Dichter wie Strauß mag die Polemik wesensfremd sein. Aber Sloterdijk kommt aus der antiautoritären Bewegung. Sein Angriff gegen Habermas hat den Anlaß hinter sich gelassen und will zu den wirklichen Problemen vorstoßen."

Lorenz Jäger im Feuilleton der "FAZ" vom 13. September 1999

 

 

"Mein Eindruck ist, daß es in dieser Gesellschaft zu viele zentrifugale Kräfte gibt. Wenn der Mörtel in der Gesellschaft fehlt, dann ist das wie ein Haus aus Backsteinen, die aufeinandergeschichtet, aber unverbunden sind: Ein Sturm, und das Haus fällt zusammen."

Johannes Rau, Bundespräsident, in einem Interview mit der "Berliner Zeitung" vom 11./12. September 1999

 

 

"Bubis hat nicht zur Kenntnis genommen, daß die Deutschen nicht ständig als Täter gesehen werden wollen. Für die Opfer war ihr Status etwas ständig Präsentes. Für mich war Ignatz Bubis deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. Seine Freunde sahen in ihm einen Deutschen jüdischen Glaubens. Für viele Deutschen war diese Einstellung ihm gegenüber schwierig. Das wußte er besonders kurz vor seinem Tod. Es gibt noch heute Juden, die nicht nach Deutschland reisen. Ich habe immer gesagt: Die deutsche Sprache hat uns nicht gemordet. Viele große jüdischen Werke der Literatur und des Zionismus waren ja in deutscher Sprache. Ich habe immer vermieden zu sagen ‘die Deutschen’. Aus dem einfachen Grund, weil ich nicht mag, wenn man sagt ‘die Juden’"

Simon Wiesenthal, Gründer und Leiter des Jüdischen Dokumentationszentrums in Wien, in einem Gespräch mit der "Welt" vom 13. September 1999

 

 

"Der Zuzug nach Deutschland findet zur Zeit weitgehend ungesteuert statt. Das kann so nicht bleiben. Es liegt in unserem wohlverstandenen nationalen Interesse, daß Zuwanderung kontrolliert stattfindet und sich auch nach unseren eigenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen richtet. (…) Qualitative Interessen wie zum Beispiel die demographische Entwicklung unserer Gesellschaft oder Mangelberufe und Sprachkenntnisse sollen maßgeblich die Auswahl bestimmen."

Guido Westerwelle, FDP-Generalsekretär, im "Focus" vom 13. September 1999

 

 

"Hier ist vor allem die Auswanderung von Entscheidungen aus dem politischen Raum der parlamentarischen Demokratie wichtig. Dieser Raum ist klassisch der Nationalstaat, im günstigsten Fall der heterogene Nationalstaat. Die Behauptung mag gewagt sein, aber auch bei näherer Betrachtung drängt der Schluß sich auf, daß die parlamentarische Demokratie für den Nationalstaat, und nur für ihn, gemacht ist. Auf lokaler Ebene liegen andere Formen, auch solche der Allparteienkoalition, nahe. Das Parlamentsspiel der Bundesländer ist für Beteiligte und Betrachter gleichermaßen mißlich. Und jenseits der Grenzen der Nationalstaaten fehlt parlamentarischen Einrichtungen schlicht der Demos, der sie trägt. Es gibt kein europäisches Parlament, das diesen Namen verdient."

Ralf Dahrendorf, ehemaliger Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung, in der "FAZ" vom 8. September 1999


 
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