© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/99 24. September 1999


Energiepolitik: Der Stromwettbewerb soll wieder eingeschränkt werden
Kuschelecken für die Wählerklientel
Dirk Fischer

Die Energiepolitiker stehen unter Druck: Die EU-Richtlinien sehen vor, daß bis zum Jahre 2003 Private, Gewerbetreibende und Großunternehmen ihren Stromlieferanten frei wählen dürfen. Die Vorteile dieser Deregulierung der Gebietsmonopole liegen auf der Hand: Der Preiswettbewerb wird zu Kostensenkungen führen, die neben den Vorteilen für Privatkunden auch eine Standortverbesserung für die Wirtschaft bedeuten. Da bei den Anbietern die Monopolgewinne wegfallen, sind sie gezwungen, effizienter zu arbeiten. Das ist insbesondere für die Stadtwerke ein Problem. Die kommunalen Versorgungsbetriebe dienten jahrelang der Versorgung abgehalfterter Politiker, mehrheitlich verdienter Genossen und sind darüber hinaus zur Bedienung der Wählerklientel personell überbesetzt. Weiterhin werden mit den Einnahmen aus den Stadtwerken andere Gemeindeaufgaben quersubventioniert. Die hohen Strompreise sind also quasi eine verdeckte Bürgersteuer. Was Wunder, daß sich Widerstand gegen das Energiewirtschaftsgesetz ausgerechnet in diesen Reihen regt. Erst letzte Woche ist ein Eilantrag von 13 Kommunen gegen die Aufhebung der Stromversorgungsmonopole vor dem Bundesverfassungsgericht abgeblitzt. Am 27. September will die ÖTV gegen die Stromliberalisierung demonstrieren. Da die Mitarbeiter städtischer Unternehmen noch zum zunehmend schwindenden klassischen Wählerpotential der Sozialdemokratie gehören, steht der parteilose Bundeswirtschaftsminister Müller unter Druck der SPD-Fraktion.

Spätestens 2003 hat die Abschottung ein Ende

Hinter den Kulissen wird schon einige Zeit um die Umsetzung der Strommarktliberalisierung gerungen. Dabei ist der Wirtschaftsminister letzte Woche mit einem zunächst irritierenden Vorschlag hervorgetreten: Die Kommunen sollen selbst entscheiden, ob sie ihren Bürgern die freie Wahl des Stromanbieters gestatten. Das ist in mehrfacher Hinsicht verwunderlich, denn der ehemalige Energie-Manager gilt eigentlich als Vertreter freier Märkte. So zeigte sich der energiepolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Volker Jung, denn auch erstaunt. Die eigenen Vorschläge seien im Vergleich weniger drastisch.

Weiterhin besteht bereits Wahlfreiheit für Großunternehmen, so daß die Kostennachteile durch die Wettbewerbsbeschränkungen in der Hauptsache mittelständische Betriebe und Privatkunden träfen. Das könnte sich wahrscheinlich keine Kommune erlauben. Spätestens im Jahre 2003 hätte die Abschottung sowieso ein Ende, da nach EU-Recht dann die volle Wahlfreiheit des Anbieters gewährleistet sein muß. Im Ergebnis würde der Müller-Vorschlag also alles beim Alten lassen, und genau darauf hat der gelernte Volkswirt spekuliert. Er zielt darauf ab, die SPD-Parlamentarier von einem Gesetzesentwurf zur Novellierung des Energierechts abzuhalten. Genau wie bei der damaligen Aufforderung an die Wirtschaftsverbände, doch selbst Vorschläge zum Subventionsabbau zu machen, versucht er nun, den Schwarzen Peter an die betroffenen pressure groups weiterzugeben. Dieses Manöver war aber dann doch zu offensichtlich, denn die Ablehnung kam nicht nur aus den Reihen der Opposition, der Energieindustrie und der Verbraucherverbände, sondern auch von der ÖTV, den Grünen, der SPD und dem Verband der kommunalen Unternehmen (VKU). Die Grünen sprachen treffend von einem "vergifteten Geschenk".

Die Befürworter von Ausnahmeregelungen im Energierecht begründen ihr Anliegen natürlich mit hehren Motiven. Sie führen den notwendigen Bestandsschutz für die kommunal betriebenen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen an. Diese produzieren nicht nur Strom, sondern auch Fernwärme. Das steigert zwar den Strompreis, senkt aber die CO2-Belastung. Nach Angaben aus dem Bundesumweltministerium würde ohne diese Anlagen das Erreichen des in Kyoto beschlossenen Klimaziels bis zum Jahre 2012 schwierig.

Die Grünen bevorzugen eine Quotenregelung

Der Novellierungsvorschlag der SPD-Fraktion sieht vor, daß die Kommunen einen festen Stromlieferanten bestimmen und Wechselwillige eine Gebühr entrichten, die durch staatliche Preisaufsicht kontrolliert wird. Neben dem bürokratischen Aufwand schützt eine solche Lösung auch den Bestand alter Dreckschleudern, was auch von den Grünen kritisiert wird. Deren Fraktion präferiert eine Quotenregelung für Strom aus Kraft-Wärme-Anlagen und erneuerbaren Energien. Nachteil ist hier, daß auch dadurch der Wettbewerb und damit der Anreiz zu Innovationen ausgeschaltet wird. Der Minister erkennt in der Fernwärme keinen Grund für eine Änderung des Energierechts zum Schutz kommunaler Anbieter. Insgesamt ginge es nur um rund ein Dutzend kommunaler Betreiber von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf Steinkohlebasis. Diesen sei besser mit direkten strukturellen Hilfen zu helfen, erklärte er gegenüber dem Handelsblatt. Die umweltpolitischen Sorgen sind natürlich nur vorgeschoben. An den Lösungsvorschlägen erkennt man, daß bestimmten Gruppen des rot-grünen Wählerreservoirs Kuschelecken im Wettbewerb eingerichtet werden sollen. Tatsächlich ist die Deregulierung für die Stadtwerke eine Chance. Sie können selbst den Strom billiger beziehen, sie können um neue Kunden werben und mit neuen Partnern zusammenarbeiten. Oft haben die Stadtwerke aus kommunalem Egoismus eine suboptimale Betriebsgröße, was durch Zusammenarbeit mit benachbarten Versorgern behoben werden könnte. Das Arbeitsplatzargument zieht nicht. Zwar wird es zum Personalabbau kommen, aber durch die Senkung der Strompreise werden Mittel frei, die woanders wieder eingesetzt werden. So werden die vorhandenen Ressourcen in die effizientere Verwendung gelenkt, was durch die bisherige Regelung verhindert wurde.

Entscheidend für die künftigen Bedingungen des Stromwettbewerbs wird die Verbändevereinbarung am 28. September sein. Hier wird über die Gebühren für die Stromdurchleitung durch fremde Netze verhandelt. Ordnungspolitisch war es ein Fehler, den Stromproduzenten auch die Verfügung über die Netze zu belassen, denn so wird wettbewerbsbeschränkendem Marktverhalten Tür und Tor geöffnet. Sollte es zu keiner Einigung kommen, ist die Schaffung einer Aufsichtsbehörde im Gespräch und damit wieder mehr Bürokratie und Einflußnahme von Interessengruppen.

Auch die Frage der Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen läßt sich wettbewerbskonform lösen. Dazu hat der Verband der kommunalen Unternehmen einen interessanten Vorschlag gemacht: Jeder Stromanbieter muß einen bestimmten Anteil an Kraft-Wärme-Strom selbst produzieren oder zukaufen. Dabei sollen die Erzeuger über einen Zertifikathandel untereinander in Wettbewerb treten. Warum stellen sich die Genossen in den Stadtwerken nicht auch dem Wettbewerb, indem sie analog zu Yello roten Sozi-Strom als Marke aufbauen?


 
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