© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/99 01. Oktober 1999


Oskar Lafontaine
Schröders Alptraum
von Philip Plickert

Pilzesammeln blieb nur kurze Zeit die Hauptbeschäftigung von Deutschlands wohl umstrittenstem Frühpensionär, Oskar Lafontaine. Pünktlich zur Frankfurter Buchmesse präsentiert er seine Abrechnung mit der Regierung Schröder, Titel: "Das Herz schlägt links"– und verdient mit Interviews, Fernsehauftritten und Exklusiv-Vorabdrucken ganz nebenbei Millionen. Er hat einen schillernden Namen, der hohe Auflagen verspricht. Lafontaine hat mit der Regierung und wohl auch der SPD innerlich abgeschlossen. Mit der Politik und dem Stil Gerhard Schröders stimme er grundsätzlich nicht mehr überein, sagte Lafontaine bei seinem ersten verkaufsfördernden Interview.

Sensationelle Enthüllungen darf man allerdings von dem Buch nicht erwarten. Nur der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist geschickt gewählt: Eingebettet in die Serie dramatischer SPD-Niederlagen bekommt Lafontaines Klageruf aus der politischen Wüste die Qualität einer Kassandrawarnung. Seine Kritikpunkte sind jedoch weder neu noch originell, ähnliches kann man in jeder Gewerkschaftszeitung nachlesen. Und selbst die mögen ihn nicht mehr. "Hier vermißt ihn heute niemand mehr", wie der DGB-Chef Schulte verlauten ließ. Das ist bitter für den ehemaligen Liebling der Linken.

Aber Lafontaine kann nicht von der Poltik lassen, er ist ein Triebtäter. Einst wurde er mit nur 31 Jahren zum Saarbrücker Bürgermeister gewählt. Er führte die Saar-SPD zur absoluten Mehrheit, gefiel sich anschließend in der Rolle des Mini-Napoleons. Im Jahr der Einheit scheiterte der ausgewiesene Linke als Kanzlerkandidat nicht zuletzt wegen seiner DDR-Sympathien.

Erneut riß er die Macht auf dem Mannheimer Parteitag 1995 an sich. Es gelang ihm, die Partei bis zur Wahl zusammenzu halten. Der SPD-Sieg vom September 1998 ist zu einem Teil dem medialen Talent von Schröder, mehr noch Lafontaines Strippenzieherei im Hintergrund zu verdanken. Nach nur 142 Tagen als Bundesfinanzminister wollte er dann Schröders Kurs nicht mehr mittragen. Oder spielten noch ganz andere Dinge in jenen Tagen eine Rolle, von denen die Öffentlichkeit nie erfuhr? Er selbst sucht glauben zu machen, die Spätfolgen des Attentates vom 25. April 1990 hätten ihn verletzlich gemacht.

Die Veröffentlichung des Buches und die Art seiner Präsentation zeigen, daß Lafontaine innerlich brennt.Politisch hat Lafontaine alles verloren. Seine Vertrauten wie Ottmar Schreiner oder Reinhard Klimmt sind ausgeschaltet oder neutralisiert. Sollte die Abrechnung "Das Herz schlägt links" eine Rückkehr in die Öffentlichkeit vorbereiten, so hat er tatsächlich seine letzten Anhänger verprellt. Politisch wird das Buch ein Eigentor. Bei Lafontaine geht es, wie SPD-Veteran Ehrhard Eppler meinte, um nicht mehr als den "Tanz um das vergoldete Ego".


 
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