© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/99 01. Oktober 1999


CD: Pop
Stilistische Vielfalt
Ulli Baumgarten

Galt der Black Metal lange als eine Domäne skandinavischer und allenfalls noch britischer Gruppen, so kamen und kommen immer mehr gute Bands auch aus Deutschland, zum Beispiel Tsatthoggua und Nox Mortis. Und auch die hier vorzustellenden neuen Gruppen Cryogenic aus Berlin und Gorbalrog aus Dortmund gehören in diesen Kreis.

Cryogenic produzierten in der Vergangenheit zwar schon Demobänder, wagten sich aber erst jetzt an die Veröffentlichung einer CD. In einer Zeit, in der Krethi und Pleti jeden, aber auch wirklich jeden Mist auf den Markt werfen, wirkt solch ein Verhalten schon regelrecht antiquiert. Aber diese Bescheidenheit kann eben auch – wie im Falle von Cryogenic –Früchte tragen, denn mit ihrer CD "Celephais" sollten die Berliner mühelos den Sprung an die Spitze der deutschen Schwarz-Metaller schaffen. Das Album zeigt eindrücklich, daß Black Metal heutzutage über eine ungeheure stilistische Bandbreite verfügt, daß die reinen Gitarren-Knüppel-Orgien der Vergangenheit angehören und daß diese Form des Metal zu den innovativsten und intelligentesten zählen.

Die Musik von Cryogenic reicht von hartem, aggressiven und gitarrenbetonten Metal bis zu keyboard-orientierten Klängen. Die Musik hört sich an, als sei sie die zeitgemäße Vertonung eines altgermanischen Heldenepos; sie strahlt nicht nur eine Urwüchsigkeit und Besinnung auf die eigene Kultur aus, sondern strotzt auch geradezu vor Stärke und Souveränität. Lieder wie "Fimbulwinter", "Nachtwache" und "Professia nocturna" dürften sicher auch jene Hörer begeistern, die dem Black Metal eher distanziert gegenüberstehen. Die gesamte CD ist wirklich mehr als eindrucksvoll.

Etwas härter kommen Gorbalrog mit ihrer ersten CD "Untergang" daher. Genau wie Cryogenic setzen auch Gorbalrog auf hymnenhafte und episch klingende Musik, lassen aber dafür die harten Gitarrenklänge etwas mehr in den Vordergrund treten. So klingt die CD zwar mehr nach den achtziger Jahren, als daß sie durch Anleihen beim Stil der Neunziger betont "modern" klingen will. Doch so etwas muß gar nicht mal schlecht sein oder auch nur veraltet, insbesondere dann nicht, wenn man sich einmal die "Entwicklung" von Gruppen wie Dimmu Borgir ansieht, die sich so weit von den Ursprüngen des Metal entfernt haben, daß außer der Verpackung nichts von den Inhalten übriggeblieben ist.

Gorbalrog jedenfalls bestechen nicht nur durch ihre Kompromißlosikeit in punkto Härte, sondern auch durch die Fähigkeit, verschiedene Stilelemente miteinander zu verknüpfen, wohlgemerkt: intelligent miteinander zu verknüpfen! Die ganze CD wird nicht nur in deutsch gesungen, sondern hat auch kaum noch etwas mit dem "American way of music" zu tun, wie ja der Black Metal insgesamt sich als eine dezidiert europäische Musikform versteht.

In dieser Eigenständigkeit, Kreativität und Echtheit dürfte aber auch der Grund liegen, warum Gruppen wie Cryogenic und Gorbalrog niemals den kommerziellen Erfolg haben werden, der ihnen eigentlich zusteht. Nichts bestraft der liberale Amüsierpöbel so sehr, nichts haßt der Spießer des Zeitgeistes so sehr wie Unangepaßtheit. Wer Spaß an Musik hat, die über MTV- und Viva-Einheitsniveau hinausreicht, sollte sich diese beiden CDs zu Gemüte führen (Bezugsadresse: Millenium Music, Postfach 11 45 26793 Moormerland).


 
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