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Berlin-Wahl I: Republikaner-Spitzenkandidat Müller zuversichtlich
"Wir packen die fünf Prozent"
Frank Philip

Herr Müller, wenige Tage vor denWahlen zum Abgeordnetenhaus liegen die Republikaner knapp unter der Fünf-Prozent- Hürde.

Müller: Wir packen die fünf Prozent. Davon bin ich fest überzeugt. Die Frage ist nur, wieviel wir darüber liegen werden. Man spürt das auch an der Reaktion der uns feindlich gesonnen Medien wie des SFB, der jetzt plötzlich gegen uns Krieg führt, nachdem wir für ihn über Jahre nicht existent waren. Da kommt jetzt starker Gegendruck. Das würde man nicht machen, wenn wir hoffnungslos irgendwo bei zwei oder drei Prozent liegen würden. Fünf Prozent sind sicher.

Im Straßenbild ist Ihre Partei mit Plakaten recht präsent. Aber man sieht auch viele zerstörte Plakate.

Müller: Bisher haben wir etwa 8.000 Plakate aufgehängt. Bis zum Samstag werden nochmals 4.000 hinzukommen. Bei der ersten Plakatierungswelle wurden von den 6.000 Plakaten fast 3.000 zerstört. Früher ging der Vandalismus haupsächlich von der linken Szene aus. Aber das waren eher unorganisierte spontane Aktionen. Doch jetzt haben wir festgestellt, daß systematisch Plakate von uns über ganze Bezirke abgeräumt wurden. Vor allem im Osten, in Marzahn, Hellersdorf war alles verschwunden, ganze Straßenzüge geleert. Und da, wo vorher noch unsere Plakate hingen, waren über Nacht NPD-Plakate. Die NPD versucht gezielt, uns zu schaden.

Welche Maßnahmen führen Sie neben der Plakatierung noch durch?

Müller: Wir haben beispielsweise 100.000 Briefe an Senioren in Westberlin geschickt und 60.000 Erst- und Jungwähleranschreiben konzentriert auf den Ostteil der Stadt. Daneben touren wir mit unserem Wahlkampfbus durch die Stadt. Die Leute sehen unsere Kandidaten. Die Partei ist nicht mehr anonym, sondern hat Gesichter. An den Ständen wird sehr viel diskutiert. Es ist im Moment viel Zustimmung zu spüren.

Wo setzen Sie als Republikaner ihren politischen Schwerpunkt?

Müller: Das größte Problem in Berlin sind die umkippenden Problembezirke im Innenstadtbereich, also Kreuzberg, Wedding, Tiergarten. Und es weitet sich aus. Es geht mittlerweile rüber nach Tempelhof, nach Reinickendorf, nach Charlottenburg. Hier entstehen kaum mehr zu beherrschende soziale Brennpunkte. Darauf werden wir uns im Abgeordnetenhaus und in den Bezirksverordnetenversammlungen konzentrieren.

Ihr Haupgegner im Wahlkampf ist...

Müller: ...ganz eindeutig die CDU. Die SPD ist auf ihren Stammwählerkern zusammengeschrumpft.

In Ihrer Wahlkampfzeitung zitieren Sie Herrn von Weiszäcker mit einer Aussage von 1980, die Zahl der Türken müsse reduziert werden. Wie war die Reaktion?

Müller: Das Zitat stammt aus einer CDU-Wahlkampfzeitung zur Abgeordnetenhauswahl. Die CDU hat damals die Ausländerproblematik erstmalig aufgegriffen. Jetzt will der feine Herr von Weiszäcker nichts mehr davon wissen. Damals aber hat er sich nicht distanziert, sondern mit tollen Parolen zum regierenden Bürgermeister machen lassen.

Die Zuwanderung bleibt in diesem Wahlkampf Ihr Hauptthema?

Müller: Es läßt sich doch vieles darauf zurückführen. Sei es die Arbeitslosigkeit oder die enormen sozialen Kosten. Mittlerweile werden über 50 Prozent der Sozialleistungen in Berlin für Ausländer ausgegeben. Für eine Stadt, die am Rande des Bankrotts steht, ist das auf die Dauer nicht zu finanzieren. Wir sind nicht gegen Ausländer oder Türken. Ich möchte nur, daß endlich über diese Probleme geredet werden kann. Für jeden, der mit offenen Augen durch die Stadt geht, sind sie erkennbar. Aber es wird alles unter der Decke gehalten. Mit der Keule "Ausländerfeindlichkeit" werden die Probleme verdrängt, und das solange, bis der Kessel explodiert.

Sehen Sie den Höhenflug der CDU mit Sorge?

Müller: Gerade habe ich gelesen, die CDU erwartet 45 Prozent. Das wird nicht eintreten. Eine eigenständige Mehrheit bekommt die CDU niemals. Ich glaube, sie wird bei unter 40 Prozent landen. Und die SPD wird besser abschneiden, als die Meinungsumfragen bislang prognostizieren.

Kürzlich haben Sie den Landesvorsitz der Republikaner niedergelegt. Warum?

Müller: Der Wahlkampf war sehr anstrengend, es wurde einfach zuviel. Jetzt führen meine drei Stellvertreter die Geschäfte weiter. Bei den Neuwahlen im Landesverband, die turnusmäßig im November anstehen, muß man sehen. Wer dann mein Nachfolger wird, kann und will ich heute nicht sagen. Vielleicht trete ich selbst noch einmal an. Warten wir den 10. Oktober ab.

 

Dr. Werner Müller ist Spitzenkandidat der Republikaner zur Abgeordnetenhauswahl am 10. Oktober. Nach dem Studium der Wirtschafts- und Staatswissenschaften trat er in das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit ein, dessen Pressesprecher er wurde. Später leitete er im Bundespresseamt die Abteilung Inland. Dort gehörte er zum engeren Kreis der Bundeskanzler Brandt und Schmidt. Bis zu seinem Austritt 1988 gehörte Müller 25 Jahre der SPD an. Von 1991 bis 1999 war er Landesvorsitzender der Berliner Republikaner. Sein Buch "Die Invasion der Armen" gehört zu den besten Darstellungen der Ausländerproblematik.


 
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