© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/99 08. Oktober 1999


Gekränkte Eitelkeit
von Alexander Schmidt

"Unser bester Mann im Außendienst" wurde der damalige Vorsitzende der SPD, Oskar Lafontaine, in den Reihen der Union genannt. Aus dem damaligen Arbeitsverhältnis auf 630-Mark-Basis – schließlich war er ja hauptberuflich SPD-Politiker – ist jetzt eine Vollzeitanstellung im Wahlkampf für die Union geworden. Um zu zeigen, daß es sich dabei nicht um eine "geringfügige Beschäftigung" handelt, die den Genossen ohnehin Probleme bereiten würde, geht er in die Vollen. Zwischenzeitlich tauchte sogar die Vermutung auf, der Freizeit-Literat könnte als Gast auf SPD-Parteitagen letzte Wähler vergraulen. Gerade ein halbes Jahr nach seinem Rücktritt präsentiert er jetzt eine umfangreiche Gesamtabrechnung mit der SPD, die von der für die Öffentlichkeit inszenierten "Männerfreundschaft" zwischen ihm und Schröder bis zu den Gründen seines Rücktritts reicht.

Zimperlich geht er darin mit seinen einstigen Genossen nicht um. Er sei ja ohnehin in die Rolle des Parteivorsitzenden hineingedrängt worden, seine Rede auf dem Mannheimer SPD-Parteitag 1995, die Rudolf Scharping zu Fall brachte, sei niemals in dieser Absicht gehalten worden. Schröder sei unfähig, Probleme im Konsens zu lösen, und statt eines Gemeinschaftsgefühles innerhalb der Partei habe sich Mobbing breitgemacht, heißt es dort wütend. Noch im gleichen Gedankenzug betont der Saarländer dann, wie sehr die SPD für ihn Heimat und Familie sei, wie oft Menschen durch Gleichgültigkeit und Selbstsucht versagten. Seit den ersten Äußerungen Lafontaines – öffentlichkeitswirksam für ein konservatives Publikum in der Welt und Welt am Sonntag dargeboten – hagelt es Kritik von fast allen Seiten der Sozialdemokraten. Offensichtlich hat Lafontaine eine Wunde der SPD getroffen. Während die Abrechnung für die Juso-Bundesvorsitzende Andrea Nahles immerhin eine "glaubwürdige Standortbeschreibung" ist, wird ihm aus dem Präsidium der SPD parteischädigendes Verhalten vorgeworfen.

Oskar Lafontaine macht es sich zu einfach in seiner Rolle als unschuldig Verstoßener. Wenn ihm die Partei wirklich Heimat und Familie ist, der er seine gesellschaftliche Stellung und das Leben als Frührentner verdankt, dann ist es mehr als stillos, im vollkommen abgesicherten Zustand nach allen Seiten zu treten. Wohlwissend, welchen Schaden er der angeschlagenen SPD zufügt. Lafontaine ist das, was er an der Bundesregierung bei seinem Rücktritt kritisierte: ein schlechter Mannschaftsspieler. Und ein schlechter Verlierer dazu, der – angesichts seiner politischen Niederlage in seiner Eitelkeit zutiefst gekränkt – aus seiner Höhle mit Steinen wirft.


 
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