© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/99 08. Oktober 1999


Totalitarismus: Vor vierzig Jahren starb der Kommunist und Nationalsozialist Arnolt Bronnen
Zum ewigen Frontenwechsel berufen
Werner Olles

Arnolt Bronnen (eigentlich Arnold Bronner) wurde am 19. August 1895 in Wien geboren. Bereits als Jugendlicher beschloß er seinen Namen entsprechend zu ändern. Dieser seltsame Hang zur Mimikry sollte ihn während seines ganzen Lebens nicht mehr verlassen. So konvertierte er vom Juden zum Arier, vom Deutschen zum Österreicher und wieder zum Deutschen, vom Kommunisten zum Nationalrevolutionär, vom Nationalrevolutionär zum Nationalsozialisten und vom Nationalsozialisten wiederum zum Kommunisten.

Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er unter anderem als Kaiserjäger an der Tiroler Front kämpfte und durch einen Halsschuß schwer verwundet wurde, debütierte er 1922 mit dem Drama "Vatermord", einem Stück, das er bereits in italienischer Kriegsgefangenschaft entworfen hatte. Bronnen gehörte damals zu einer Gruppe von expressionistischen Bühnenavantgardisten, Schriftstellern und Dramaturgen um Bert Brecht, mit dem ihn eine enge, persönliche Freundschaft verband und der eigentlich auch sein Stück inszenieren sollte, es dann aber doch beim Schreiben der Regieanweisungen beließ.

Nach der Uraufführung in Frankfurt am Main löste die Berliner Premiere am 14. Mai 1922 an der "Jungen Bühne" des "Deutschen Theaters" einen riesigen Skandal aus. Aber schon nach seinem zweiten Stück "Anarchie in Sillian" sahen die meisten Kritiker nicht mehr in Brecht, sondern in Bronnen den kommenden Dramatiker.

1924 wurde am Frankfurter Schauspielhaus die "Katalaunische Schlacht" uraufgeführt. Ein Jahr später schrieb Bronnen die "Rheinischen Rebellen", ein Stück, das manchen Kritiker zu der Frage veranlaßte, ob der Autor – bislang eher als Sympathisant des Marxismus bekannt – nun etwa zu den Nationalisten übergelaufen sei. Aber so weit war Bronnen noch lange nicht.

Er schrieb "Ostpolzug", ein Drama um Alexander den Großen, und 1925 die "Exzesse", die wiederum wegen ihrer erotischen Szenen und Dialoge zu einer Skandalpremiere wurden. 1926 folgte "Reparationen", ein Stück, in dem es um den nationalen Widerstand gegen die französische Besetzung des Rheinlands und die Reparationszahlungen der besiegten Deutschen an die siegreichen Besatzer ging.

1929 schrieb Bronnen den Oberschlesienroman "O.S.", in dem er die Kämpfe der Freikorps gegen die polnischen Insurgenten nach dem Ende des Ersten Weltkriegs schilderte und den verlustreichen Sturm auf den Annaberg feierte. Tucholsky warf ihm daraufhin in einer Kritik "gesinnungslose Pfuscherei" vor und sprach von der "Verlogenheit dieses Salonfaschismus", dem jegliches echte Gefühl abgehen würde. Josef Goebbels schrieb dagegen im nationalsozialistischen Angriff: "Bronnens ’O.S.‘ ist so, als wäre das Buch von uns allen geschrieben!" Ernst Jünger sah in dem Roman "ein erstes Zeichen, daß hier Verantwortung besteht", und urteilte im Tag und in den Münchner Neuesten Nachrichten: "Hier erfahren wir Nationalisten Unterstützung von einer Seite, auf die wir schon lange gewartet haben." Franz Schauwecker schrieb in der Berliner Nachtausgabe: "Mehr als ein Roman, zugleich Bekenntnis und Politik", während Alfred Rosenberg im Völkischen Beobachter zwar nicht umhin konnte, dem Buch seine Reverenz zu erweisen, den ihm verhaßten Bonvivant Bronnen jedoch dennoch als "Schädling" bezeichnete.

Politisch war Arnolt Bronnen inzwischen zu den sogenannten Nationalrevolutionären gestoßen. Zu dieser Gruppe von Rechtsintellektuellen, die sich um Zeitschriften wie Die Standarte, Deutsches Volkstum, Arminius, Deutsche Front, Das Dritte Reich, Gewissen, Die Kommenden, Nationalsozialistische Briefe, Der Vormarsch, Der Wehrwolf und Widerstand scharten, gehörten u.a. die Brüder Ernst und Friedrich Georg Jünger, Friedrich Hielscher, Franz Schauwecker, Ernst von Salomon, Herbert Blank, Otto Strasser, Ernst Niekisch und A. Paul Weber. Als ehemaliger Linksintellektueller fühlte er sich in diesen Kreisen, in denen er durchaus ernst genommen wurde, zunehmend wohl.

Beruflich machte Bronnen als Dramaturg bei der UfA und der Reichsrundfunkgesellschaft – nachdem er sich endgültig von der radikalen Linken gelöst hatte – nun Karriere. Auf einer Arbeitstagung über "Dichtung und Runkfunk" schockierte er seine Schriftstellerkollegen Alfred Döblin, Walter von Molo, Börries von Münchhausen, Alfons Paquet, Ludwig Fulda, Herbert Euleberg und Arnold Zweig mit der Aussage, den Rundfunk in den "Dienste des Volkes" stellen zu wollen, dieser sei "nicht für die Dichter da, sondern für das Volk" und keine "Versorgungsanstalt ausgedienter Literaten". Im Dichter sehe er nur "das Instrument der Gedanken der Nation".

Im Januar 1930 organisierte er hingegen im Berliner Rundfunk die legendäre Diskussion zwischen Kurt Hiller, dem Führer der Gruppe Revolutionärer Pazifisten, und Franz Schauwecker, einem der führenden Schriftsteller des revolutionären Nationalismus. Er schrieb eine Biographie über den Freikorps-Führer Roßbach und lernte endlich auch Goebbels persönlich kennen, von dessen Persönlichkeit er sofort fasziniert war. Bronnen avancierte nun zum Provokateur par excellence. Als Thomas Mann auf einer Veranstaltung das deutsche Bürgertum aufforderte, die Weimarer Republik gemeinsam mit den Sozialdemokraten gegen die Nationalsozialisten zu verteidigen, erschien Bronnen mit einer Gruppe von zwanzig SA-Männern, die ihm Goebbels zur Unterstützung geschickt hatte, und erzwang den Abbruch der Kundgebung. Bei der Premiere des Films "Im Westen nichts Neues" nach dem gleichnamigen pazifistischen Roman Erich Maria Remarque, störte er gemeinsam mit seiner späteren Frau Olga – 1938 ging aus dieser Ehe die Tochter Barbara hervor, die in die schriftstellerischen Fußspuren ihres Vaters trat –, einer guten Freundin von Goebbels, und einigen Gleichgesinnten die Aufführung im Berliner Nollendorf-Theater, indem sie weiße Mäuse auf das Publikum losließen. Und obwohl ihm Bronnens jüdische Abstammung genau bekannt war, hielt Goebbels von nun an trotz diverser Denunziationen mißgünstiger Kollegen und gegnerischer Presseorgane seine schützende Hand über ihn.

Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht ergriffen, hatte Bronnen dennoch zunächst einige Schwierigkeiten wegen seiner Herkunft. So ließ er sich schließlich für unehelich geboren erklären und erbrachte durch eine aufwendige Schädelmessung den Nachweis seiner rein arischen Abstammung. Den widerständlerischen Ideen und Absichten seiner früheren nationalrevolutionären und nationalbolschewistischen Freunde stand er indessen längst ablehnend gegenüber und ging scharf mit ihren Aversionen gegen die neuen Herren ins Gericht. Hatte er früher zum Beispiel noch Ernst Niekisch gegen Goebbels’ Zumutungen und Unverschämtheiten verteidigt, so ließ er ihn jetzt klar spüren, daß er von seinem radikalen Anti-Hitlerismus gar nichts mehr hielt.

Im Berliner Rundfunk hatte er schon damals größere Macht als der Intendant. Bronnen säuberte das Funkhaus von Linken, Liberalen und Juden und schrieb nebenbei den Rundfunkroman "Der Kampf im Äther", den Alfred Rosenberg jedoch sogleich auf den Index setzen ließ, weil ihm die Parallelen zur Kulturpolitik der Nationalsozialisten wohl zu offensichtlich erschienen. Schließlich wurde Bronnen sogar zu einem Pionier des Fernsehens, das von einer kleinen Equipe während der Berliner Olympiade groß aufgezogen werden sollte.

Bronnens Stern begann erst während der Tragödie von Stalingrad zu sinken. Nachdem der spießige Alfred Rosenberg, der dem Bohemien und Dandy Bronnen noch nie wohlgesonnen war, während eines der berüchtigten Tischgespräche mit Adolf Hitler im Führerhauptquartier gegen einige sogenannte "kulturbolschewistische" Literaten gehetzt hatte, die es sich angeblich in der Heimat gemütlich machten, während junge deutsche Soldaten an der Front verbluteten und erfroren, waren in diesem Zusammenhang unter anderen auch die Namen Erich Kästners und Arnolt Bronnens gefallen. Danach kam es schon bald zu einem Verbot jeglicher literarischen Tätigkeit und zur Löschung der Mitgliedschaft in der Reichsschrifttumskammer. Auf die Frage nach den Gründen teilte man ihm mit, daß diese in seiner früheren schriftstellerischen Arbeit zu sehen wären. Bei einer späteren Vernehmung vor der Geheimen Staatspolizei war – so jedenfalls Bronnen in seiner Autobiographie – sogar von "Schutzhaft" die Rede.

1944 verließ Bronnen Deutschland und siedelte sich in Goisern im Salzkammergut an, wo er sich dem antinazistischen Widerstand anschloß und nach einem weiteren Intermezzo als Soldat der deutschen Wehrmacht und seiner erneuten Rückkehr nach Österreich am 8. Mai 1945 zum Bürgermeister des Ortes gewählt wurde. Bis zum Jahre 1950 arbeitete er dann als Redakteur der Tageszeitung Neue Zeit in Linz.

Anfang der fünfziger Jahre kehrte er wieder nach Ost-Berlin zurück. Bronnen trat in die SED ein, schrieb die – zum Teil zu seinen Gunsten erheblich geschönte – Autobiographie "Arnolt Bronnen gibt zu Protokoll" (1954), "Deutschland – kein Wintermärchen" (1956) und "Tage mit Bert Brecht" (1959). Im Jahre 1957 versuchte er jedoch dummerweise eines seiner alten Bücher wieder erscheinen zu lassen, den Kolportageroman "Film und Leben der Barbara La Marr". Die gleichgeschaltete DDR-Presse tobte, und es war sogar von "Antisemitismus und Pornographie" die Rede. Man warf ihm die "antihumane Grundhaltung seines damaligen Bewußtseins" vor und erinnerte an seine "geschmacklosen Jugendsünden", deren "manierierter Stil" und "schnoddrig-zynischen Posen" damals auf den "unteren Etagen der Literaturpyramide Mode waren". Eine Neuauflage des Romans in der DDR wurde verboten, und Bronnens Laufbahn als Dramatiker fand damit ein jähes Ende. Allein durch die mildtätige Hilfe Brechts, dem es im Gedenken an ihre alte Freundschaft gelang, ihm eine feste Stellung als Theaterkritiker zu verschaffen, ließ sich seine endgültige und völlige kulturelle und berufliche Kaltstellung noch ein allerletztes Mal vermeiden. Eine politische Rolle vermochte er in der DDR jedoch nicht mehr zu spielen.

Am 12. Oktober 1959 verstarb Arnolt Bronnen im Alter von 64 Jahren in Berlin. Zeit seines Lebens umstritten als Dramatiker der Linken und Romancier der Rechten, war Arnolt Bronnen, diese bemerkenswerte Mischung aus Nonkonformismus, Opportunismus und Dandytum in Wahrheit kein Renegat, sondern ein ewiger Konvertit, aber vielleicht war gerade dies seine besondere Begabung und Berufung.


 
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