© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/99 15. Oktober 1999


Parteien: Spaltungstendenzen in der Frankfurter SPD
Sozialistische Sektierer
Werner Norden

Im politischen Spektrum der deutschen Sozialdemokratie steht die Frankfurter SPD traditionell weit links. Zusätzlich gab es auch schon immer Versuche der Parteilinken, eigenständige Initiativen und Vereine zu gründen, die jedoch bis auf wenige Ausnahmen in aller Regel im Sande verliefen, wenn die Mutterpartei mit dem großen Ausschlußknüppel drohte. Dennoch haben allein in diesem Jahr drei prominente Frankfurter SPD-Mitglieder – Heiner Halberstadt, Fred Gebhardt und Dieter Dehm – ihrer Partei den Rücken gekehrt und sind zur PDS abgewandert. Die Sozialdemokratie hat dies weitgehend klaglos hingenommen und auch über die vorhergehenden Bestrebungen der Linkssozialisten, sich in diversen Sammlungsbewegungen zu organisieren, zumeist milde hinweggesehen.

Ob dies auch diesmal wieder so geht, ist fraglich. Seit einigen Tagen kursiert in der Frankfurter SPD ein Papier, auf dem eine Initiative "SPD von unten", die sich im Sommer dieses Jahres als Reaktion auf die Politik der rot-grünen Bundesregierung und das sogenannte Schröder-Blair-Papier gründete, der Partei und ihrem Frankfurter Vorstand mitteilt, daß sie einen eigenen unabhängigen Verein namens U.S.P.D. gründen will.

Verfasser des Schreibens ist das Vorstandsmitglied Oliver Nöll, der frühere Sprecher der Frankfurter Jusos. Zwar heißt es in dem dreiseitigen Schreiben, daß die U.S.P.D. "keine Konkurrenzorganisation zur SPD" sein solle, vielmehr werde sie all jenen offenstehen, "die die Idee des demokratischen Sozialismus noch nicht ihren persönlichen Karriereplänen untergeordnet haben". Jedoch werde man sich mit einem eigenen Logo in den Kommunalwahlkampf 2001 einschalten, "um für mehr soziale Gerechtigkeit zu werben."

Während die "Initiative SPD von unten" von fast einhundert Parteitagsdelegierten unterstützt wurde, sollen jedoch hinter der geplanten Vereinsgründung nur gut ein rundes Dutzend Personen stehen, davon die Hälfte Juso-Mitglieder. Für den stellvertretenden Parteivorsitzenden Stork provoziert die Gruppe um Nöll dennoch ihren Parteiausschluß. Keinesfalls könne die Partei die Gründung eines Vereins mit eigenständigem Logo und Vorstand unter dem Namen U.S.P.D. zulassen. Stork hofft jedoch immer noch, daß sich alles als "Dummejungenstreich" herausstellt.

Daß die geplante Vereinsgründung auch einen polithistorischen Bezug hat, macht alles noch pikanter. USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) nannte sich jene Gruppierung, die sich 1917 von der Mehrheits-SPD abkoppelte und in der Anfangsphase der Weimarer Republik einen radikal-sozialistischen Kurs einschlug, um sich später dann mit der KPD zu vereinigen.

Nach Ansicht des Frankfurter CDU-Vorstandes ist die Drohung einer linksradikalen Minderheit, eine U.S.P.D. gründen zu wollen, ernst zu nehmen. Hier werde bewußt an die gleichnamige Gründung im Kaiserreich angeknüpft. Man wolle offenbar mit einer offenen Linken Liste den Spaltpilz in die Sozialdemokratie tragen, um dann die PDS hoffähig zu machen.

Wie kurz vor Redaktionsschluß zu erfahren war, wird die Gruppierung um das Frankfurter Vorstandsmitglied Oliver Nöll nach einer eindeutigen Ausschlußdrohung des Parteivorstandes nun doch auf die geplante Gründung eines eingetragenen Vereins namens USPD verzichten. Satt dessen will man im November einen Gesprächskreis in der SPD ins Leben rufen, der der Partei "programmatische und organisatorische denkanstöße geben soll". An der politischen Stoßrichtung ("SPD vonunten") wird sich dabei jedoch nichts ändern. So fordert man weiterhin "eine Diskussion mit allen linken Kräften inklusive der PDS und die sofortige Beendigung der Zusammenarbeit mit der CDU im Römer".


 
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