© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/99 15. Oktober 1999


Kornkreise: Fingerzeig von höherer Seite, göttliches Echo, Mysterium oder Humbug?
Dem Rätsel auf der Spur
Werner Olles

Seitdem zu Beginn der frühen siebziger Jahre in den südenglischen Grafschaften Hampshire und Wiltshire in jedem Sommer bizarre Zeichen und Muster in den Getreidefeldern der Landwirte auftauchten, haben die anfänglich recht einfachen Kreise im Korn an Zahl und Komplexität stetig zugenommen. Die progrediente Evolution der Kreise bringt mittlerweile Formationen mit weit über hundert Metern Durchmesser hervor, die mit den ursprünglichen Kreisen kaum noch etwas gemeinsam haben. Langpiktogramme, Fraktale und Spiralen sind nur einige Facetten der heute auftretenden Erscheinungsbilder der Kornkreise.

Die Rätsel um ihre Anfänge, ihre Bedeutung und ihre Ursachen lassen immer noch Menschen aus der ganzen Welt nach Südengland reisen, und die bunte Vielfalt an Theorien und Ursachenerklärungen, wer oder was letztlich für die Kornkreise verantwortlich ist, wird nur noch von der immens gewachsenen Zahl der Kreise selbst übertroffen.

Das Kornkreisphänomen hat inzwischen eine eigene Kornkreiskultur hervorgebracht, deren Zentrum sich in Alton Barnes, nahe von Stonehenge und Avebury, zwei prähistorischen Steinsetzungen, befindet. Ob diese mythischen Orte, die reizvolle Landschaft mit ihren sanften Hügeln und sonnenbestrahlten Feldern, geheimnisvolle Mächte oder einfach nur Menschen für die Kreise verantwortlich sind, sei einmal dahingestellt. Wenn sich dann noch in den Steinkreisen von Avebury und Stonehenge Druiden zu ihren Ritualen und Zeremonien versammeln, kann man sich der merkwürdigen Ausstrahlung dieses Konglomerats aus Mystik, Landschaft und Kornkreisen nur schwerlich entziehen.

Mittlerweile erscheinen Kornkreise auch in Deutschland. Es gibt derzeit zwei Zentren, in denen sich Kornkreissichtungen häufen. Das eine befindet sich in Schleswig-Holstein an der Schlei, das andere in der Nähe von Zierenberg bei Kassel. Kornkreisforscher recherchierten, daß im schleswigschen Angeln bereits seit 1920 derartige Phänomene beobachtet wurden, wobei Augenzeugen dieser Ereignisse von lokalen Temperatur-Inversionen berichten, bei welchen eine warme Luftschicht am Boden durch eine darüberliegende kalte Schicht bricht und dadurch einen sogenannten Plasma-Wirbelwind aus Pflanzenteilen erzeugt, der sich säulenartig in spiralen Bewegungen im Uhrzeigersinn in den Himmel erhebt und für die Kornkreise in den Getreidefeldern verantwortlich sein soll.

Dies wäre in der Tat eine einigermaßen plausible und vor allem naturwissenschaftlich fundierte Erklärung des Kornkreisphänomens. Nun mögen Wirbelstürme durchaus einfach konstruierte Kreise produzieren, was aber ist dann mit jenen kunstvoll-ästhetischen Gebilden und artifiziellen Piktogrammen im Süden Englands und neuerdings auch im nordhessischen Zierenberg? Hier greifen naturwissenschaftliche Erklärungsmuster nicht, und es müssen auch andere Spuren untersucht und analysiert werden. Dabei kommen zunehmend psychologisch-soziale, aber auch paranormale Lösungsansätze ins Spiel.

Ernsthafte Kornkreisforscher, wie zum Beispiel die deutsche "Forschungsgesellschaft Kornkreise e.V." (FGK), führen inzwischen sowohl in England als auch in Deutschland unterschiedliche Projekte vor Ort durch, um der Klärung des Phänomens näher zu kommen. Man ist sich hier auch darüber im klaren, daß gerade paranormale Denkansätze mit den in der Wissenschaft üblichen Verfahren nur schwer überprüfbar sind. Daher haben unorthodoxe Forschungsmethoden bei der FGK denselben Stellenwert wie die klassisch-naturwissenschaftlichen.

Da die Kornkreise mittlerweile ein real existierendes Phänomen sind, das jeden Sommer sowohl in England als auch in Deutschland erscheint, sind die Theorien um ihre Entstehung so vielfältig und unterschiedlich wie die individuellen Menschen, die sie wahrnehmen. Als eine forschende Gesellschaft, die aktiv an der Aufklärung des Kornkreisphänomens arbeitet, versteht sich die FGK als Plattform zur Darstellung der unterschiedlichsten Lösungsansätze und versucht das Phänomen so wertneutral und umfassend wie möglich zu erforschen und zu dokumentieren.

Dabei kommt neben dem rein naturwissenschaftlichen Denkansatz, der allerdings relativ schnell an seine Grenzen stößt, wenn man die große Ästhetik der meisten Kreise berücksichtigt, vor allem eine Theorie zum Tragen, die davon ausgeht, daß den Menschen von "höherer Seite" sozusagen ein Spiegel vorgehalten wird. Die echten, nicht von Menschenhand erschaffenen Piktogramme, könnten eine Art göttliches Echo auf das Denken, Fühlen und Handeln der Menschen sein. Hierarchien von Wesenheiten wollen uns gutgemeinte Ratschläge geben, die in einer bestimmten, aber schwer entschlüsselbaren Symbolik verborgen sind. Ein weniger chistlich orientierter Theorieansatz geht davon aus, daß die Piktogramme immer in unmittelbarer Nähe uralter Kultstätten wie Stonehenge, Avebury und ähnlichen Orten in der Kasseler Region erscheinen. An jenen "Orten der Kraft" kommunizierten die alten Kelten, Germanen und Angelsachsen mit ihren Göttern, und sogar die moderne Wissenschaft lernt heute die sogenannten Geomantischen Liniennetze kennen, die die alten Naturvölker längst kannten und an ihnen ihre heiligen Kultstätten plazierten. Daher vermutet man, daß die heutigen Piktogramme sich an jenen Geomantischen Linien ausrichten oder an deren Kreuzungspunkten entstehen, wie der spektakuläre Kornkreis im nordhessischen Netze.

Weniger überzeugend und von den allermeisten Kornkreisforschern als "Humbug" abgetan, ist die von UFOlogen vertretene These, daß Kornkreise regelmäßig in Verbindung mit UFO-Sichtungen stehen. Einmal handele es sich bei den meisten UFOs um Testflugzeuge der Militärs – in diesem Zusammenhang verweist man gerne auf die Bücher des Autors Jan van Helsing: "Geheimgesellschaften" Band I und II – und warum sollten Außerirdische überhaupt in einem Kornfeld Piktogramme hinterlassen?

Daß einige Piktogramme – man spricht von "unechten" – von Menschen geschaffen wurden, wird gar nicht bestritten. Allerdings steht man der Erklärung, daß die zu einiger Berühmtheit gelangten Rentner Doug Bower und David Chorley für einen Teil der in Südengland entstanden Kornkreise verantwortlich sind, wie sie während einer Pressekonferenz behaupteten, recht skeptisch gegenüber. Als Doug & Dave bei einem Ortstermin eine Generalprobe ihres Könnens abliefern sollten, waren die von ihnen ins Korn getrampelten Kreise doch mehr als erbärmlich und hatten keinerlei Ähnlichkeit mit der komplexen Geometrie und hohen Präzision der echten Piktogramme. Dagegen hat der Landart-Künstler Richard Long schon lange vor Beginn des Kornkreisphänomens vergleichbare Kunstwerke in der Landschaft produziert.

Was auch immer letztlich die realen Ursachen für die Entstehung der rätselhaften Kornkreise sein mögen: Sie vermitteln einen intimen Kontakt zur Landschaft, in ihrer Symbolik liegt eine tiefe Spiritualität, ihre grenzenlose Faszination und Schönheit wirkt meditativ auf die Menschen, die sich mit ihnen beschäftigen, um das Mysterium ihrer Erschaffung zu deuten. Und vielleicht steckt in ihnen ja wirklich jene menschliche Ur-Sehnsucht, höhere geistige Welten zu erreichen.

Adresse: Forschungsgesellschaft Kornkreise e.V., Burgstr. 31, 76846 Hauenstein. Viermal jährlich erscheint als Mitteilungsblatt der "FGK-Report".


 
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