© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/99 22. Oktober 1999


Baden-Württemberg: Bei den Kommunalwahlen sind Wählervereinigungen die Favoriten
Ergebnis wenig repräsentativ
Richard Stoltz

Während die SPD nach der Serie verlorener Landtagswahlen in sechs Bundesländern und dem Desaster bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen noch ihre Wunden leckt, droht ihr am kommenden Sonntag bei den Gemeinderatswahlen in Baden-Württemberg bereits neues Ungemach. So liegen die Sozialdemokraten in aktuellen Meinungsumfragen bei landesweit nur rund 20 Prozent und damit gut zehn Prozent hinter der CDU.

Daß die Ergebnisse der Gemeinderatswahlen am kommenden Sonntag nur sehr beschränkt auf die Stimmung in der Bundesrepublik übertragbar sein dürften, macht ein Blick auf die Ergebnisse der Wahlen von vor fünf Jahren deutlich: Die Wählervereinigungen, die in Baden-Württemberg auf kommunaler Ebene traditionell eine besonders starke Rolle spielen, erragen bei den Gemeinderatswahlen am 12. Juni 1994 mit landesweit 33 Prozent den größten Anteil an den abgegebenen gültigen Stimmen. Das Spektrum der Wählervereinigungen reicht von Bürgerinteressengemeinschaften über Grüne Listen bis hin zu Einzelbewerbern.

Wählervereinigungen kandidierten 1994 in rund 1.000 der 1.110 Gemeinden. Vielerorts traten sogar ausschließlich Wählervereinigungen an. Aber selbst dort, wo sie mit weiteren Wahlvorschlägen konkurrierten, erzielten sie oft mehr als 85 Prozent. In ihren Hochburgen Eberhardzell (Landkreis Biberach), Owingen (Bodenseekreis) und Lonsee (Alb-Donau-Kreis) kreuzten sogar über 99 Prozent der Wahlberechtigten die Wählervereinigungen an.

Hinter den Wählervereinigungen folgten die CDU, die 1994 in 697 Gemeinden mit einer eigenen Liste antrat, mit 30,3 Prozent und die SPD, die in 664 Gemeinden auf dem Stimmzettel stand, mit 22,1 Prozent. Die viertstärkste Kraft bildeten die Grünen mit einem Stimmanteil von 5,7 Prozent. In Merzhausen (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) konnten sie landesweit den höchsten Stimmenanteil mit 30,4 Prozent verbuchen, trotz der Konkurrenz von CDU, SPD, anderen Parteien und Wählervereinigungen.

Auf die FDP/DVP entfielen im "Ländle" landesweit 2,6 Prozent. Von den 124 Gemeinden, in denen die Liberalen mit einer eigenen Parteiliste vertreten waren, war besonders die Gemeinde Gutach (Ortenaukreis) herausragend. Dort konnten sie mit 28,2 Prozent sogar die SPD (22,1 %) und die CDU (16 %) hinter sich lassen.

Die Republikaner erreichten in ihrem Stammland landesweit zwar nur 1,4 Prozent, ein Blick auf die 48 Gemeinden, in denen sie mit eigenen Listen zur Wahl standen, macht jedoch deutlich, daß die Partei von Rolf Schlierer durchaus Erfolge einfahren konnte: In drei Gemeinden erreichten die Republikaner immerhin über acht Prozent, im Stadtkreis Heilbronn 9,7 Prozent, im Stadtkreis Pforzheim 8,5 Prozent und in Heidenheim an der Brenz 8,3 Prozent. Insgesamt konnte die Rechtspartei bei den letzten Gemeinderatswahlen 120 Mandate gewinnen.

Am kommenden Sonntag kandidieren die Republikaner mit über 1.500 Bewerbern (1994: rund 1.100). Wählbar sind sie in 31 von 35 Landkreisen und in 53 Städten und Gemeinden. Dies seien so viele wie nie zuvor, betonte der baden-württembergische Landesvorsitzende Christian Käs. Er hofft, daß durch den Wegfall der Fünf-Prozent-Hürde diesmal noch mehr Bürger ihr Kreuz bei den Republikanern machen und die Mandatszahl von vor fünf Jahren übertroffen werde. Denn schon etwa zwei Prozent der Wählstimmen genügen in vielen Gemeinden zum Einzug in die Räte. Inhaltlich setzen die Republikaner im Wahlkampf vor allem auf Themen wie innere Sicherheit, Sozial- und Ausländerpolitik.

Für großen Wirbel in den Medien sorgt unterdessen eine Ausstellung des Bundesamtes für Verfassungsschutz über Rechtsextremismus im Stuttgarter Landtag. Seit es bei der Eröffnung am vergangenen Mittwoch zu einem Handgemenge zwischen Abgeordneten der Republikaner, Mitarbeitern der Landtagsverwaltung und Verfassungsschützern kam und eine Vitrine beschädigt wurde, stehen wechselseitige Vorwürfe im Raum. Auslöser für den Eklat ist die Konzeption der zuvor bereits in Heidelberg gezeigten Schau mit dem Titel "Demokratie ist verletzlich", bei der neben Materialien der DVU und der NPD auch Schriften der Republikaner ausgestellt sind.

Wie die Stuttgarter Zeitung berichtete, verlangen die Oppositionsparteien SPD und Grüne, aber auch die in einer Koalition mit der CDU mitregierende FDP vom Chef des Landtagspräsidium Peter Straub (CDU) eine lückenlose Aufklärung der Vorgänge. Der Fraktionsvorsitzende der Republikaner, Rolf Schlierer, kündigte rechtliche Schritte gegen den Verfassungsschutz an, weil dessen Beamte Republikaner-Abgeordnete tätlich angegriffen hätten. Er werde auch die wieder vollständig aufgebaute Vitrine mit Zeitungen seiner Partei, der DVU und der NPD nicht hinnehmen. "Ich lasse mich nicht von irgendwelchen Spitzeln diffamieren", erklärte Schlierer.


 
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