© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/99 22. Oktober 1999


Krankenkassen: Der Wechsel zu Betriebskrankenkassen kann sich durchaus lohnen
Geld verschlingende Mätzchen
Werner Olles

Seit 1996 haben die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung die freie Wahl unter den Allgemeinen Kassen und den geöffneten Betriebskrankenkassen, dies gilt auch für alle Pflichtversicherten, also Arbeitnehmer mit einem Bruttoeinkommen von weniger als 72.000 Mark im Jahr. Wer als Pflichtversicherter seine Krankenkasse wechseln will, muß es ihr jeweils bis zum 30. September mitteilen, dann hat er bis zum 31. Dezember Zeit, sich eine andere Versicherung zu suchen, wobei er, falls er keine Kasse findet, die ihm zusagt, ohne weiteres in sein altes Versicherungverhältnis zurückkehren kann. Ein freiwillig Versicherter kann seine Versicherung sogar monatlich kündigen.

Daß viele Menschen immer noch den Wechsel ihrer Krankenkasse scheuen, obwohl sie mit den ständig steigenden Beiträgen, dem mangelhaften Service und den permanent sinkenden Leistungen unzufrieden sind, liegt vor allem an der unbegründeten Befürchtung, im Zweifelsfall nicht mehr zu ihrer alten Kasse zurückkehren zu können und dann keinen Versicherungsschutz mehr zu genießen. Es gibt jedoch überhaupt kein Risiko für einen Versicherten, der seine Krankenkasse wechseln will. Auch der Eintritt in eine neue Krankenkasse bereitet keine Schwierigkeiten, denn die allgemeinen Krankenkassen sind inzwischen für alle Versicherten offen. Aber auch unter den Betriebskankenkassen (BKK) haben sich viele geöffnet. Wer sich über die zumeist recht günstigen Beitragssätze der BKK auf dem laufenden halten will, kann sich vom jeweiligen Landesverband der BKK eine aktuelle Liste zusenden lassen, auf der die Beitragssätze der für alle Versicherten landes- oder bundesweit geöffneten Betriebskrankenkassen zu entnehmen sind.

Wegen ihrer vergleichsweise niedrigen Beiträge waren die geöffneten Betriebskrankenkassen bisher die Gewinner der Wahlfreiheit. Allein im vergangenen Jahr haben die Betriebskrankenkassen in Hessen nach eigenen Angaben ihre Mitgliederzahl um fast fünf Prozent gesteigert. Die meisten Neumitglieder sind aus den Angestellten-Ersatzkrankenkassen gewechselt. Aber auch für Studenten und Berufsanfänger sind die Angebote der Betriebskrankenkassen sehr interessant.

Bei den Beitragssätzen der Krankenkassen verhält es sich so, daß die Beiträge der Orts- und Ersatzkrankenkassen ziemlich ähnlich sind, während bei den geöffneten Betriebskrankenkassen die Beiträge weitaus günstiger liegen. So haben zum Beispiel die beiden günstigsten Betriebskrankenkassen in Hessen, die BKK Werra-Meißner und die BKK Osthessen zur Zeit einen Beitragssatz von 11,8 Prozent, das heißt, sie liegen um gut zwei Prozentpunkte günstiger als die großen Orts- und Ersatzkassen, und dies bei gleichem Leistungsangebot. Einige der BKK sind nur für die in dem jeweiligen Bundesland lebenden Versicherten geöffnet, andere bundesweit. Es ist also sinnvoll, sich von seinem jeweiligen BKK-Landesverband eine aktuelle Liste mit den Beitragssätzen und dem besonderen Service und Leistungsangebot der verschiedenen BKK zuschicken zu lassen.

"Inzwischen halten die Betriebskrankenkassen den Wettbewerb innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung am Leben. Ohne diese Konkurrenz könnten die großen allgemeinen Krankenkassen den Markt unter sich aufteilen. Neben den niedrigen Mitgliedsbeiträgen setzen die Betriebskrankenkassen vor allem auf ihre in der Regel kostenlose telefonische Serviceberatung und eine 24-Stunden-Bearbeitungsgarantie, oft ist sogar eine Erreichbarkeit rund um die Uhr gewährleistet.

Da die Leistungen bei allen gesetzlichen Krankenversicherungen, also bei den allgemeinen Krankenkassen und den Betriebskrankenkassen generell die gleichen sind – bei manchen Betriebskrankenkassen werden sogar Naturheilverfahren bezahlt, die von den Orts- und Ersatzkrankenkassen nicht finanziert werden – sollten die Versicherten also jedes Jahr prüfen, ob ihre Krankenkasse noch die richtige und vor allem die günstigste für sie ist.

Das Argument der Ort- und Ersatzkassen, die BKK hätten zu wenige Geschäftstellen, ist ebenfalls nicht stichhaltig, denn moderne Kommunikationsmittel sind heute wichtiger. Es ist absolut nicht notwendig, daß eine Krankenkasse in jeder Fußgängerzone eine Filiale haben muß, oder in bester Citylage einen Prunkbau mit überdimensioniertem Personalstand und einem Vorstand, dessen Jahresgehalt das eines Industriemanagers weit übertrifft. Den Orts- und Ersatzkrankenkassen ist auch vorzuwerfen, daß sie über Jahrzehnte die Beiträge für unnötige Marketing- und Werbestrategien aus dem Fenster geworfen haben, teure Hochglanzbroschüren in Millionenauflage verteilten, in denen zum Beispiel die DAK für Schwangerschaftsabbrüche geworben hat, kostenlose Mitgliedermagazine versenden, die kaum gelesen werden,und potentielle Kunden mit fragwürdigen Lockangeboten wie Bauchtanzkursen zu ködern versuchten. Daß die BKK solche Mätzchen nicht mitgemacht haben, spricht für sie und ist ein weiteres Argument, einen Krankenkassenwechsel zu überlegen.


 
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