© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/99 29. Oktober 1999


FPÖ: Jörg Haider über den Wahlausgang und die Regierungsbildung
"Patriotische Politik"
Andreas Mölzer

Herr Haider, das Wahlergebnis vom 3. Oktober hat eigentlich primär eine Abreibung für die Sozialdemokratie gezeitigt.

Haider: Mit der Jahrtausendwende geht auch das sozialistische Jahrhundert zu Ende. Gleichzeitig ist es auch eine Absage an die Ausgrenzer gewesen, die jahrelang mit Diffamierung gegen die FPÖ zu Felde gezogen sind. Das Liberale Forum wurde hinausgeworfen aus dem Parlament, und die Sozialisten, die mit Klima in den letzten Wochen noch eine Ausgrenzungsstrategie gegen die FPÖ entwickelt haben, wurden ebenso vom Wähler bestraft.

Die Auslandspresse spricht von einem "Rechtsruck" in Österreich. Im Lande selbst aber sagen die Sozialwissenschaftler, daß die Arbeiter nunmehr in erster Linie die FPÖ gewählt haben. Dies wäre ein klassisches linkes Wählerpotential.

Haider: Es ist absolut so, daß wir zur stärksten Partei bei den Arbeitern aufgestiegen sind mit etwa 47 Prozent und zehn Prozent mehr Arbeiterstimmen haben als die Sozialdemokratie. Sofern man jetzt davon ausgeht, daß die Sozialdemokratie eine linke Partei ist, dann haben wir linke Wähler in einem hohen Ausmaß zu freiheitlichen Wählern gemacht, und man kann sicherlich nicht von einem "Rechtsruck" im klassischen Sinne sprechen, wie ich überhaupt glaube, daß diese Kategorien "rechts" und "links" einfach überholt sind. Die Menschen haben uns gewählt, damit wir eine patriotische Politik für Österreich und für die Österreicher machen und uns weniger um das Echo aus dem Ausland kümmern.

Nun ist es ja so, daß dieses Wahlergebnis zweifellos als Auftrag für den Wandel weg vom sozialistischen Österreich interpretiert werden muß. Was werden Sie denn tun, um diesen Wandel entweder zu gestalten oder zumindest zu ermöglichen?

Haider: Wir haben uns offen gelassen, in Gesprächen mit allen Parteien verhandlungsbereit zu sein, um letztlich nicht die Schuld auf uns zu nehmen, daß es zu einer Fortsetzung der Verlierer-Koalition von Rot und Schwarz kommt. Wir sind auch mit einem klaren Programm in die Wahl gegangen, das die Reformperspektiven, von der Abschaffung des Proporzes bis hin zur Einführung des Kinderschecks für österreichische Familien vorgesehen hat. Und dann ist es auch klar, daß wir einen inhaltlichen Auftrag bekommen haben, der uns in die Pflicht nimmt, dieses Programm möglichst umzusetzen.

Wäre es im Sinne der Ermöglichung dieser Inhalte auch denkbar, daß eine zur zweiten Kraft gewordene FPÖ der Volkspartei, die ihre Positionen knapp halten konnte, die Führung einer Regierung anböte?

Haider: Ja, es gibt Verhandlungen zwischen den Parteien. Da gibt es für mich keine nicht-denkbare Variante.

Offenbar wird aber jene Kampagne, die da mit der Faschismuskeule die FPÖ wieder als rechtsextreme Gruppe darstellen will,um die ÖVP zu verschrecken, über das Ausland fortgeführt. Wie sehen Sie denn das?

Haider: Es ist schon früher dieser Versuch gemacht worden: Wenn man die Österreicher nicht vor der Wahl für die Fortsetzung der schwarz-roten Koalition gewinnen konnte, dann hat man über das Ausland versucht, Stimmung zu machen. Das wird man auch sicherlich weiter probieren. Allerdings glaube ich, daß schon diesmal die Kampagne mit der angeblich ausländerfeindlichen Politik, die da von den Freiheitlichen gemacht worden sein soll, nicht mehr gegriffen hat, weil der amtierende Innenminister selbst für einen Zuwanderungsstopp eingetreten ist. In der Wahlnacht, hat auch der Bundeskanzler die Notwendigkeit eines Einwanderungsstopps noch einmal unterstrichen. Überdies wollen wir nicht vergessen, daß beispielsweise auch unter dem französischen Staatspräsidenten Mitterand, einem Sozialisten, in Frankreich der Zuwanderungsstopp propagiert worden ist. Daß sich die Linke da schwertun wird, dieses Thema als Beweis einer faschistischen Politik zu qualifizieren, liegt auf der Hand.

Dennoch ist in einem sich integrierenden Europa die Meinung des Auslandes nicht ganz unwichtig. Welche Möglichkeiten sehen Sie denn, diese Verzerrungen zu korrigieren?

Haider: Ich betrachte es als einen Erfolg, daß viele inländische und ausländische Medien heute bereits in ihren Kommentaren festhalten, daß aus Angst vor den Freiheitlichen und vor Jörg Haider etwa die Verhandlungen über die Osterweiterung in den letzten Wochen gestoppt wurden, weil man sich bewußt ist, daß hier die österreichische Bevölkerung auch massive Vorbehalte hat. Etwa wegen der AKW-Situation an den Grenzen, oder auch wegen der Beschäftigungssituation und des drohenden Verlustes österreichischer Arbeitsplätze.

Ist es nicht so, daß da häufig österreichische Journalisten, die als Auslandskorrespondenten für diverse internationale Blätter arbeiten, im Auftrag Ihrer politischen Gegner über das Ausland Stimmung gegen die FPÖ machen?

Haider: Ja, sicherlich sind da jene österreichischen Journalisten, die der politisch korrekten Linken angehören, die Hauptnestbeschmutzer, eine besonders aktive Gruppe. So haben etwa Journalisten des ORF unmittelbar nach dem Wahltag von sich aus Klagen an ausländische Journalisten herangetragen über den angeblichen Rechtsruck im Lande. Normalerweise müßte der Generalintendant jene ORF-Mitarbeiter zur Ordnung rufen, die das Objektivitätsgesetz grob mißachten.

Wenn es also jetzt mit allen möglichen Tricks und Kampagnen gelänge, eine Wende weg von einer rot-schwarzen Rest-Koalition zu verhindern, wie sehen Sie denn dann die nächste Zukunft der Republik und die Ihrer Partei?

Haider: Wenn eine solche Wende noch einmal verhindert wird, sehen wir der weiteren Entwicklung mit einer gewissen Gelassenheit entgegen. Wenn eine Neuauflage der Verliererkoalition von Rot und Schwarz kommt, dann werden wir uns das nächste Mal um die Nummer Eins bemühen.

Auf der anderen Seite ist es ja so, daß die SV/VP-Koalition keine Zweidrittelmehrheit zusammenbrächte. Sehen Sie da erweiterte parlamentarische Möglichkeiten auch für eine freiheitliche Opposition?

Haider: Erstens gibt es erweiterte parlamentarische Möglichkeiten, die die Opposition wahrnehmen kann. Andererseits aber werden wir uns noch stärker bemühen, dort, wo wir die Mitverantwortung tragen, in den Ländern, zu beweisen, daß wir besser regieren als Rot und Schwarz. Daß wir uns mehr um die Bürger kümmern und auch konsequenter im Zweifelsfall die Funktionärsinteressen reduzieren und die Bürgerinteressen unterstützen.

Und wie sehen Sie das Ausscheiden des Liberalen Forums aus der österreichischen Innenpolitik?

Haider: Ich betrachte das als eine späte Genugtuung gegenüber den Freiheitlichen, weil keine politische Gruppe mit einem solchen Haß und einer solchen Niedertracht gegen die Freiheitlichen aufgetreten ist wie das Liberale Forum.

Glauben Sie, daß das Kreisen der Ultralinken in der SPÖ und bei den Grünen eine Lehre sein könnte?

Haider: In Wirklichkeit bedauern es die Sozialisten ganz massiv, sich in den letzten Wochen noch einmal vor den Karren der Ausgrenzung spannen haben zu lassen. Klima selbst war nie ein Ausgrenzer. Er hat aber offenbar unter dem Druck der Linken in den letzten Wochen noch einmal versucht, sich gegenüber der FPÖ neu zu positionieren. Das hat der SPÖ noch einmal nicht gut- getan.

Das klingt so, als wären Sie sehr wohl auch gegenüber der Sozialdemokratie zu Gesprächen offen?

Haider: Wir haben nie jemanden ausgegrenzt und werden sicher nicht den Fehler der Sozialisten machen, umgekehrt der SPÖ das Gespräch zu verweigern.


 
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