© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/99 05. November 1999


Voreilige Euphorie
von Lothar Groppe S.J.

"Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?" Diese Frage Luthers formulierte eine Zeitung dieser Tage so: "Wie kommen Christen in den Himmel?" – Bei seiner Ansprache in Rom würdigte der Papst die Einigung über die "Gemeinsame Erklärung" zur Rechtfertigungslehre als "Meilenstein auf dem nicht leichten Weg der Wiederherstellung der vollen Einheit unter den Christen". Die in der Erklärung vorgelegte Lehre der Lutherischen Kirchen werde nicht von den Verurteilungen des Trienter Konzils (1545–63) getroffen. Desgleichen träfen auch die Verwerfungen der Lutherischen Bekenntnisschriften nicht die in der Erklärung vorgelegte römisch-katholische Lehre. Allerdings ist dieser Text wegen bleibender Unstimmigkeiten umstritten.

Katholische und evangelische Theologen ringen bereits 35 Jahre um eine Einigung in der entscheidenden Glaubensfrage. Sie verpflichten sich, sich um die noch ungeklärten Fragen zu kümmern. Hierzu zählen das Verhältnis vom Wort Gottes zur kirchlichen Lehre, das Amtsverständnis und die Lehre von den Sakramenten. Mehrmals drohten die Gespräche zu scheitern, weil beide Seiten um den Verlust der eigenen Identität fürchteten. Schließlich kam es dann zur "Offiziellen Feststellung" mit einem Annex.

Allerdings stießen diese Texte bei zahlreichen evangelischen Theologen auf noch größeren Widerstand als die Erklärung selbst. Mehr als 250 evangelische Hochschullehrer warnten vor der Unterzeichnung. Daher mahnte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Lehmann, die große Anzahl der Professoren gefährde den "Konsens in Grundwahrheiten". Eine uneingeschränkte Zustimmung überfordere Katholiken wie Protestanten. Durch die Unterzeichnung werden die im 16. Jahrhundert ausgesprochenen Lehrverurteilungen aufgehoben: "Wir bekennen gemeinsam, daß der Mensch im Blick auf sein Heil völlig auf die rettende Gnade Gottes angewiesen ist." Luther betonte, daß der Mensch "allein durch den Glauben" gerechtfertigt werde, während die katholischen Christen besonderes Gewicht darauf legen, daß sich durch die Rechtfertigung im Menschen etwas real zum Guten verändern müsse.

Bei aller positiven Bewertung der Erklärung meint der gewiß nicht engstirnige Bischof Lehmann, man dürfe zwar von einem historischen Datum sprechen, die Rede von einem ökumenischen Durchbruch sie allerdings allzu enthusiastisch. Wegen noch zahlreicher ungeklärter theologischer Fragen sei die Hoffnung auf ein gemeinsames Abendmahl voreilig. Ehe dieses möglich sei, müsse zunächst das Sakraments- und Kirchenverständnis sowie die Ämterfrage geklärt werden. Denn die Eucharistie sei für die katholische Kirche der "Gipfel der kirchlichen Lebensvollzüge."


 
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