© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/99 12. November 1999


Oper: "Die Banditen" von Jacques Offenbach in Köln
Kölner Klüngel zum Karneval
Julia Poser

Am 11. November um 11 Uhr 11 beginnt im Rheinland die fünfte Jahreszeit: der Karneval. Rechtzeitig zu diesem wichtigen Ereignis hat die Kölner Oper die 1869 uraufgeführte Opéra bouffe "Les Brigands" des gebürtigen Kölners Jacques Offenbach auf die Bühne des Theaters am Offenbachplatz gebracht. Helmut Lohner, dem Wiener Schauspieler und Theaterdirektor, gelang eine überaus schwungvolle und spritzige Inszenierung mit frecher Komik und beißenden Apercus. Die deutsch gesprochenen Dialoge – neu übersetzt vom Kabarettisten Heinrich Pachl – trafen heute wie damals ins Schwarze: Klüngel und Filz, Bestechung, Korruption und Unterschlagung regieren überall auf dieser Welt. Die schmissigen Couplets und Chöre, die Offenbach für die Texte seiner bewährten Librettisten Meilhac und Halévy komponierte, wurden in Köln in der französischen Originalsprache mit deutschen Übertiteln gesungen.

Wie schon im burgenländischen Mörbisch ("Eine Nacht in Venedig") haben Helmut Lohner und sein einfallsreicher Ausstatter Rolf Langenfass glücklich zusammengearbeitet. Für das Räuberlager des Banditenchefs Falsacappa baute Langenfass einen Autoschrottplatz mit verbeulten Karosserien, alten Reifen und sonstigem Sperrmüll in eine italienische Bergödnis. Der 2. Akt spielt in einem eleganten Gasthof an der spanisch-mantuanischen Grenze, in dem die Prinzessin von Granada als zukünftige Braut von der italienischen Gesandtschaft begrüßt werden soll. Mit großem Applaus wurde die edle Marmorterrasse mit Meeresblick am Hof des Herzogs von Mantua bedacht. Auch die Kostüme waren sehenswert: ausgeflippte Klamotten für die Banditen, edles Schwarz und Rot für die ach so stolzen Spanier und leichtgeschürzte Gespielinnen für den Herzog – ehe die Braut eintrifft.

Drei Millionen soll Mantua an Granada für die Braut bezahlen. Diese Summe käme Falsacappa gerade recht, denn die Zeiten für Banditen sind schwer geworden – sitzen doch die ganz großen Räuber in den Chefetagen von Politik und Finanz. Aber trotz aller raffinierter Verkleidungen hat Falsacappa nicht mit den Machenschaften des Finanzministers gerechnet, der die drei Millionen längst für sich abgezweigt hat. Mit vielen bissigen Anspielungen auf den Kölner Klüngel ("Man muß je nach der Position stehlen, die man in der Gesellschaft hat"} rechtfertigt der Minister (großartig: Ralph Morgenstern) sein korruptes Tun.

Die zierliche Claudia Rohrbach als des Banditenchefs Töchterlein Fiorella widerlegte die Meinung, nur füllige Frauen hätten große Stimmen. Mühelos übertönte ihr strahlend heller Sopran Chor und Orchester. Auch Ute Döring in der Hosenrolle des von Falsacappa ausgeraubten Schokoladenfabrikanten Fragoletto überzeugte mit vollem Mezzo im Saltarello. Ein unwiderstehliches Paar! Patrick Rafterys spielte glänzend den gestreßten Banditenchef und besorgten Vater, obwohl sein Tenor in den Bergen etwas rauh geworden wwar.

Siebenundzwanzig Mitwirkende nennt das Programmheft und dazu der große Chor, eine vom Regisseur bestens gemeisterte Mammutaufgabe. Ihnen allen gebührt großes Lob. So auch dem Kölner Gürzenich Orchester, das unter Johannes Stert Offenbachs zündende Melodien mit rasantem Schwung brachte. Riesiger Beifall für einen großartig inszenierten Klamauk.


 
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