© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/99 19. November 1999


Zehn Jahre Mauerfall: Ein Volksfest mit Tanz und Musik
Bunte Feier statt Staatsakt
Hanno Borchert

Auf in die Hauptstadt", lautete die spontane Parole in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989, als uns die ersten Meldungen vom Fall der Mauer aus den Nachrichten erreichten. Wenige Stunden später konnten wir unsere Landsleute aus der dem anderen Teil unseres Vaterlandes in die Arme schließen. Welch eine Freude damals. Wieviele Freudentränen sind geflossen. Ja, wir waren das glücklichste Volk der Welt. Damals, vor zehn Jahren.

Ein wenig von dieser im kollektiven Gedächtnis der Deutschen unwiderruflich verankerten Freude lebte am Abend des 9. November 1999 in Vacha, einer kleinen Stadt an der thüringisch-hessischen Grenze auf Initiative von Annemarie Paulitsch von der "Bürgerbewegung unser Land" und Friedrich Baunack von der "Deutschland-Bewegung" wieder auf. Abseits vom offiziellen Hauptstadtrummel und doch mitten im Herzen Deutschlands wurde "10 Jahre Wir sind ein Volk" gefeiert. Zahlreich waren die Menschen aus allen Teilen Deutschlands gekommen. Leute aus den genannten Bewegungen, der "Jungen Landsmannschaft Ostpreußens", den "Unabhängigen Ökologen Deutschlands", Verbindungsstudenten, Bündische, Anti-AKWler und Redakteure der Zeitschrift wir selbst. Und vor allem die Einheimischen aus Vacha und Umgebung, die den Reden Hans-Ulrich Kopps und Thomas S. Fischers interessiert zuhörten. Baldur Springmann begeisterte die Anwesenden mit der Idee eines zentralen Bauwerks, welches die kommenden Generationen immer an die Widervereinigung erinnern solle. Genau dort, wo eimal die Mauer verlief, verwurzelt auf ehemals ost- und westzonalem Boden, zwischen Potsdamer Platz und dem Brandenburger Tor, solle sich einmal das Monument der Einheit, gekrönt mit einer ewigen Flamme, im Zentrum Berlins erheben.

Im Vorfeld der Veranstaltung war es zu Irrationen gekommen, da von interessierter Seite die Meldung lanciert worden war, "rechtsextreme Horden" würden in die Stadt einfallen. Da hatte dann manch einer sein Lokal geschlossen und verbarrikadiert. Doch umso größer war dann das Erstaunen, als der noch aus der evangelischen Friedensbewegung der DDR und der Wendezeit bekannte Liedermacher Karl-Heinz Bomberg seine wunderbaren Lieder vortrug. Auch das junge Duo Eichenlaub aus Thüringen eroberte alle Herzen, ebenso wie Swantje Swanhwit mit ihren zarten Melodien. Zahlreiche Kinder wirbelten glücklich und lachend zwischen den Erwachsenen herum und rissen die aufgebaute Kartonmauer nieder.

Der Wunsch, sich nicht erst wieder in zehn Jahren zusammenzufinden, sondern jedes Jahr den 9. November zu feiern, wurde begeistert aufgenommen. Ein richtiges Freudenfest soll es wieder werden.


 
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