© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/99 26. November 1999


Spendenaffäre: CDU und SPD wollen sich Schwarze Peter zuschieben
Ab in den Ausschuß
Sylvia Green-Meschke

Nun rollt sie wieder, die Untersuchungsausschußwelle. Erwartungsgemäß – kaum ein Politiker kann der Möglichkeit widerstehen, dem Konkurrenten am Zeuge zu flicken. Insbesondere mit dem vortrefflichen Mittel "Ausschuß, der nach streng juristischen Maßstäben vorgeht", wie stets der zu beteuern pflegt, der den Ausschuß begehrt. Die Praxis sieht meist ein wenig anders aus. Ausschüsse haben die beliebte Eigenschaft, immer dann angestrengt zu werden, wenn sie dem Konkurrenten ein Höchstmaß an Schaden zufügen können. In einem Ausschuß zur Klärung politischer Verwicklungen der vorigen Bundesregierung in Spenden und Panzerlieferungen ist die Dramaturgie also von vornherein klar: Konstituierung des Ausschusses frühestens vor Weihnachten, so daß die Befragungen und deren Vermarktung in der Öffentlichkeit im Januar beginnt.

Man braucht keine Seherqualitäten für die Aussage, daß Volker Rühe als einer der ersten zur Anhörung gebeten wird. Nicht weil er etwas mit den Aktivitäten Walter Leisler Kieps zu tun haben könnte – er war damals Generalsekretär seiner Partei, als solcher mit Spenden nicht befaßt; Verteidigungsminister wurde er erst später. Aber er ist höchst aussichtsreicher Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 27. Februar. Erfahrung legt nahe, daß Rühes erste Befragung als nicht ausreichend qualifiziert und eine zweite im Februar als notwendig bezeichnet werden wird: nach Erkenntnissen der Demoskopie ungefähr vierzehn Tage vor der Wahl. Weitere Befragungen von Spitzenpolitikern werden sich am Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen orientieren.

Dies alles geschieht ungeachtet der Tatsache, daß Materiallieferungen an die Saudis, später an Israel in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Golf-Krieg vereinbart worden sind. Im übrigen nicht in voller Übereinstimmung zwischen den betroffenen Ministerien, ersichtlich auf mindestens sanftes Zureden seitens der USA, in jedem Falle in aller Öffentlichkeit, soweit man bei derartigen Gremien davon sprechen kann. Keinesfalls aber in einer Atmosphäre, in der Schmiergelder von einer Hand in die andere gleiten. Die CDU fühlt sich dennoch – sehr zu Recht – von der Affäre "politisch getroffen", wie Schäuble es formuliert hat. Sein Zusammenbruch nach einer Gallenkolik hat Symbolcharakter.

Doch die CDU steht nicht alleine da. Der Fall Hombach, der seit Monaten schwelt, gewinnt verstärkt Aktualität. Die Immobiliengeschäfte von Mutter und Sohn samt Querverbindungen zu diversen Unternehmen, flankiert von bissigen Bemerkungen eigener Genossen, rufen dem Bürger ins Gedächtnis zurück, daß einiges unklar geblieben ist bei Hombachs schnellem Abgang aus dem Kanzleramt ins ferne Bosnien. Gleiches gilt für die ebenfalls bereits länger währenden Untersuchungen über den niedersächsischen Ministerpräsidenten Glogowski: Wer ihm das Schnorcheln auf der Hochzeitsreise mit frischgebackener Ehefrau in ägyptischen Gewässern ermöglicht, wer die Lachs- und Kaviarhäppchen seiner Hochzeitsfeier gesponsert hat und was es mit vorherigen "Edelsausen" in München und Braunschweig auf sich gehabt habe. Weitere Konsequenzen und Ermittlungen waren damals durch die freundliche Minderung einer Rechnung und eine "Sonderzahlung" Glogowksis vermieden worden.

Hombach schweigt derzeit, Glogowski reagierte auf Meldungen zunächst verärgert, später sehr viel vorsichtiger. Rühe hat sich vage über Fehler der CDU geäußert, später wurde klargestellt, damit sei die Reaktion gegenüber der Öffentlichkeit gemeint, danach lehnte er weitere Kommentare ab. Dem Vernehmen nach soll über eine Trennung der Union von Leisler Kiep nachgedacht werden, vom Steuerberater Weyrauch ist sie bereits vollzogen. Ein Ministerpräsident der CDU ist vor Jahren wegen freundschaftlicher Beziehungen zu einem Unternehmen zurückgetreten ...

Wird es angesichts der parlamentarischen Mehrheiten im Bund und in Niedersachsen zu greifbaren Ergebnissen in den Fällen Hombach und Glogowski kommen? Es darf bezweifelt werden. Der Untersuchungsausschuß über Kiep und nachgeschobene Themen wird uns indes mit Sicherheit die nächsten fünf bis sechs Monate begeleiten. Hombach, Kiep, Glogowski sind die Namen, die die Politikverdrossenheit nähren. Vielleicht lenken sie aber auch nur kurzzeitig ab von den Problemen, die uns und den Staat derzeit drücken.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen