© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/99 26. November 1999


Großkonzerne: Gespräch mit einem Aktien-Profi
"Völlig normal"
Arne Schimmer

Herr Bernecker, der Baukonzern Holzmann hat über längere Zeit hinweg Verbindlichkeiten in Milliardenhöhe aufgebaut, die über Nacht bekannt wurden und den Konkurs des Unternehmens nach sich zogen. Wie kann eine finanzielle Schieflage eines Großkonzerns so lange verborgen bleiben?

Bernecker: Das fragen sich alle, aber in der Projektfinanzierung können entweder falsche Wertgutachten vorgelegt werden oder falsche Wertansätze benutzt werden, um eine Finanzierung darzustellen. Und das kann sich auf Dauer schon anhäufen. Es ist wohl bekannt gewesen, daß Holzmann laufende Projekte so finanziert hat, daß man Gelder von vorherigen Projekten genommen hatt, also quasi von der Hand in den Mund gelebt haben und zum einen den Eindruck erweckt hat, finanziell wieder auf den Damm gekommen zu sein, zum anderen sind dadurch alte Verluste bzw. Projekte verschütt gegangen.

Ist die Bilanzierung in Deutschland noch sachgerecht?

Bernecker: Nein, bei Holzmann ist es ein kriminelles Problem. Im Immobiliengeschäft ist es problematisch, wenn Sie mit Wertgutachten arbeiten, das haben wir ja auch bei der HypoVereinsbank gesehen. Generell sind unsere Bilanzen und die angewandten Kriterien in Ordnung. Viele stellen jetzt um auf das amerikanische System. Es ist noch wesentlich strenger, aber ich würde jetzt nicht von Holzmann auf die Qualität der deutschen Bilanzierung schließen. Der Vorstand hat gesagt, und das muß man ihm wohl glauben, daß bis zwei Ebenen unter ihm viele der Fakten einfach nicht offengelegt worden sind. Dann hat das schon eine gewisse kriminelle Energie.

Die Deutsche Bank war Gläubiger, Großaktionär und Auftraggeber von Holzmann. Haben die Probleme von Holzmann etwas damit zu tun, daß man deshalb die Probleme länger verschleiern konnte oder auch wollte?

Bernecker: Ich finde die Diskussion, so wie sie jetzt läuft, daß Sie die Bank an den Pranger stellen, nicht richtig. Wenn gar nichts mehr hilft, dann sind die Banken an allem schuld. Kann ich hier nicht sehen. Holzmann hat allein in den letzten sechs Jahren schon drei mal extreme Schieflagen erlebt, und vor drei Jahren wurde ein Neuanfang gemacht. Es kam ein neuer Vorstand, und es wurde rekapitalisiert. Die Bank hat das mitgetragen, und sie sind offensichtlich genauso von der neuen Schieflage überrascht worden wie auch der Vorstand von Holzmann selber. Wenn die Banken den Eindruck haben, daß man nicht genau weiß, was jetzt eigentlich passiert ist und wie es passiert ist, dann kann keine Bank sagen, wir schreiben einen Scheck und lösen es damit, das geht nicht. Dann läuft man wirklich Gefahr, einfach gutes Geld schlechtem hinterherzuschmeißen.

Soll der Staat eingreifen, Holzmann retten?

Bernecker: Nein, überhaupt nicht. Das Ganze muß man vielleicht ein bißchen weiter denken. Es ist nunmal eine Probe für den Finanzplatz Deutschland. Wir können in solchen Fällen nicht einfach hingehen und einen Scheck unterschreiben und das so lösen. Das widerspricht den Gesetzen des Marktes. Das heißt nicht, daß man nicht im Rahmen eines Insolvenzverfahrens schauen kann, wie jetzt die einzelnen Projekte weiter finanziert werden. Es ist ja nicht so, daß von heute auf morgen alles plattgemacht wird.

Wie ist der Versuch einer feindlichen Übernahme von Mannesmann durch Vodafone zu bewerten?

Bernecker: Das ist ein völlig normaler Vorgang. Die Bezeichnungen "feindlich" und "freundlich" sind aus dem Zusammenhang gerissen worden. Der Begriff "feindlich" ist aus dem Angelsächsischen genommen in bezug auf eine Entwicklung Ende der achtziger Jahre, als es drüben Übernahmen gab mit dem klaren Ziel, ein Unternehmen zu zerschlagen und in seine Einzelteile aufzulösen. Das ist nicht dasselbe. Feindlich ist es nur insofern , als der Vorstand von Mannesmann sagt, er will nicht. Ob das so feindlich ist für alle anderen, die Aktionäre und die Gesellschaft selber, kann man bezweifeln. Diese Art der Übernahme ist ein normaler Vorgang.

Die Mannesmann-Unternehmensleitung hat doch sehr viel Wachstum generiert in den letzten Jahren. Kann man davon ausgehen, daß Vodafone das Unternehmen besser leiten kann?

Bernecker: Mannesmann ist in den letzten Jahren stark gewachsen und der Aktienkurs ist stark gestiegen, aber ob die alles so hundertprozentig richtig gemacht haben, kann man durchaus in Frage stellen. Die Leistung bei D2 war schon fantastisch, man mußte sie aber trotzdem die ganze Zeit ein wenig zwingen und sagen: "Ihr seid noch nicht am Ende, da nur ein kleiner Teil des Konzerns den gesamten Gewinn trägt, während der Rest des Unternehmens ein Nullgeschäft ist". Wenn man das mal mit angelsächsischen Unternehmen vergleicht, da hätte sich diese Struktur über die letzten Jahre gar nicht gehalten. Da wäre es undenkbar, daß die einen Geschäftsbereich behalten, der ganz anders gelagert ist und keinen Gewinn abwirft.

 

Daniel Bernecker ist Anlageexperte und Herausgeber der Fachzeitschrift Aktienbörse in Düsseldorf.


 
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