© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/99 03. Dezember 1999


Christoph Butterwegge / Gudrun Hentges: Alte und Neue Rechte an den Hochschulen
Nicht nur auf dem rechten Auge blind
Björn Hauptfleisch

Eine veritable Fehlleistung legt der linksgerichtete Kölner Politologie-Professor Christoph Butterwegge als Herausgeber des Buches "Alte und Neue Rechte an den Hochschulen" hin. Zusammen mit Gudrun Hentges hat er diesen Sammelband zu verantworten. Dessen Qualität läßt ihn selbst einleitend bitten, man möge "die Heterogenität des Stils" entschuldigen. Tatsächlich hält das Buch absolut nicht das, was es verspricht. Butterwegge legt den Begriff "rechts" extrem weit aus und subsumiert alles vom Nationalsozialismus bis zur liberalen Globalisierungsideologie darunter. Trotzdem mißlingt es den Autoren, wenigstens in diesem Rahmen zu bleiben. Die überwiegende Zahl der Artikel handelt entweder nicht von "Rechten" oder nicht von Hochschulen.

Den Reigen eröffnet der Abschnitt "Marktradikale Think-Tanks, Stiftungen und Intellektuelle". Er geht der Frage nach, welchen Einfluß die internationalen außeruniversitären Denkzirkel um Friedrich August von Hayek und Milton Friedman hatten und verfehlt somit das Thema. Der nächste Abschnitt wendet sich dem Einfluß des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) zu. Die Frage nach den Zielen und Methoden des "marktradikalen" CHE erscheint berechtigt, wird aber leider nur ansatzweise beantwortet. Der größte Teil des Elaborats bleibt der Analyse von Konzernbilanzen und linker Staatstheorie vorbehalten. Torsten Bultmann versucht anschließend, individuelle Begabung als gesellschaftliches Konstrukt, in dem künstlich in "Eliten und Massen" geschieden wird, zu entlarven. Diese Sichtweise führt ihn zwangsläufig zu der Ansicht, daß es keine Rechten an den Hochschulen gibt, sondern die Hochschulen selbst anti-demokratisch und rechtsradikal seien.

Wohltuend nimmt sich der Bericht von Sabine Kiel über "Studentinnen und Politik heute" aus. Unaufgeregt referiert sie die abnehmende politische Motivation linker Studierender und die Gründe für diese Entwicklung. Leider verfehlt sie damit ebenfalls das Thema.

Die beiden Kapitel über studentische Verbindungen im allgemeinen und die Burschenschaften im besonderen entsprechen endlich einmal dem Buchtitel. Allerdings bringen die Beiträge kaum Interessantes. Zu sehr bleiben die Autoren in der Rekapitulation der burschenschaftlichen Geschichte stecken und echauffieren sich seitenlang über "männerbündische" Strukturen. Als Mitglied der Deutschen Gildenschaft, einer studentischen Korporation, findet sich dann auch der Historiker Karlheinz Weißmann in einem eigenen Kapitel wieder, obwohl er überhaupt nicht an einer Hochschule forscht und lehrt.

Der letzte Abschnitt des Buches widmet sich echten und vermeintlichen Kontinuitäten nach 1945. Einzelfälle wie Werner Pfeifenberger, der wegen antisemitischer Äußerungen seinen Lehrauftrag verlor, müssen dabei als Beleg für eine angeblich flächendeckende braune Durchsetzung der Professorenschaft dienen. Gleichzeitig wird in einem logischen Salto die große Zahl der Wissenschaftler, die sich nach 45 vom nationalsozialistischen Regime oder sogar von ihrer eigenen Person (Fall Schneider/Schwerte) distanzierten, ebenfalls als Beweis einer braunen Kontinuität gewertet. Völlig daneben ist ein in diesen Zusammenhang gestellter Artikel, der den Links- und Rechtsextremismusforscher Hans-Hellmuth Knütter in die Kategorie "Kontinuitäten nach 1945" einordnet.

Der abschließende Exkurs in die Ostdeutschlandpolitik geht wieder weit am Thema vorbei. Allein die Namen von drei kleinen universitären Forschungsprojekten zur Geschichte Schlesiens genügen dem Sozialwissenschaftler Andreas Plake als Beweis einer großangelegten staatlichen Kampagne zur Rückeroberung des deutschen Ostens.

Zusammenfassend sei noch einmal davor gewarnt, das Buch mit falschen Erwartungen zu erwerben. Das Thema wird so gründlich verfehlt, daß dies kommentiert werden muß: Es gibt eine virulente Rechte (d.h. hier dezidierte Nicht-Linke) an den Universitäten; von den wirtschaftsliberalen Studenteninitiativen wie AIESEC über die naturwissenschaftlich-technokratischen Fachschaftsinitiativen bis hin zu den Burschenschaften und den politisch aktiven Gruppen des RCDS und RHV. Es wäre sehr interessant, die unterschiedlichen Motivbündel der vielfältigen universitären Rechten und ihre äußerst komplexen Formen der Zusammenarbeit zu analysieren. Warum geschieht dies nun nicht in dem vorliegenden Buch? Vielleicht zeigt die Unfähigkeit zur Analyse der Rechten nur die beschränkten Fähigkeiten der vom Herausgeber versammelten Autorenmannschaft. Es mag aber auch sein, daß die Linke an den Hochschulen insgesamt in den letzten Zügen liegt, so daß sie nicht einmal mehr ihre Umgebung analysieren kann.

 

Christoph Butterwegge / Gudrun Hentges: Alte und Neue Rechte an den Hochschulen, Agenda Verlag, Münster 1999, 240 Seiten, 36 Mark


 
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