© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/99 10. Dezember 1999


Württemberg: Evangelische Landeskirche streicht Zuwendungen an "idea"
Eingriff in die Pressefreiheit
(JF)

Die evangelische Nachrichtenagentur "idea" bekommt künftig keinen direkten Zuschuß der Evangelischen Landeskirche in Württemberg mehr. Gegen den Willen der Kirchenleitung und des synodalen Gesprächskreises "Lebendige Gemeinde" beschlossen 46 Synodale der links-liberalen "Offenen Kirche" und der Mitte-Gruppierung "Evangelium und Kirche" am 24. November, die im Haushaltsplan des Jahres 2000 vorgesehende Zuwendung von 80.000 Mark zu streichen.

Vierzig Synodale, darunter auch einige Mitglieder von "Evangelium und Kirche", plädierten für eine Fortsetzung des seit mehr als 20 Jahren gewährten Zuschusses. Die Sprecherin der "Offenen Kirche", Christa Maier-Johannsen (Weissach bei Stuttgart), sagte, die Landeskirche unterstütze den Informationsdienst der Evangelischen Allianz (idea) bereits über den Zuschuß zur Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Man lehne nur eine zusätzliche Förderung ab. Außerdem wolle man den Eindruck vermeiden, die Pressefreiheit mit Hilfe eines Zuschusses zu beeinflussen. Für eine inhaltliche Debatte habe es keine neuen Argumente gegeben, sagte die Pädagogin. In den vergangenen Jahren hatte die Synode wiederholt den idea-Kurs kritisiert und im vergangenen Jahr einen Sperrvermerk angebracht, den der Ältestenrat im Februar aufhob.

Vor der Abstimmung warnte der Theologische Dezernent der Kirchenleitung, Oberkirchenrat Heiner Küenzlen (Stuttgart), vor einer kirchenpolitischen Entscheidung, die bei vielen Gemeindemitgliedern gemischte Gefühle auslösen werde. idea leiste einen wichtigen Beitrag, um der Öffentlichkeit ein Gesamtbild der EKD zu vermitteln. Der nordwürttembergische Regionalbischof, Prälat Paul Dieterich (Heilbronn), sagte, daß eine starke Kirche, die sich ihres Weges bewußt sei, auch ihre Kritiker stärken könne. Dies gehöre zu einer freien und offenen Kirche. Im Namen des Evangelischen Presseverbandes für Württemberg sagte Prälat Gerhard Maier (Ulm), daß die Streichung des idea-Zuschusses einen gravierenden Eingriff in die Pressefreiheit darstelle. Der Vorstand des Evangelischen Pressedienstes befürworte die idea-Unterstützung.

Nach Angaben des Vorsitzendes des synodalen Öffentlichkeits-Ausschusses, Dekan Ulrich Mack (Freudenstadt), hat die Synode entschieden, bevor sich der Fachausschuß mit den Inhalten der von der Landeskirche geförderten Publikationen befaßte. Dies sei aber vom Ältestenrat gefordert worden.

Mehrere Mitglieder der "Lebendigen Gemeinde" kritisierten, daß sich die synodale Mehrheit bewußt über die Empfehlungen der EKD hinweggesetzt habe, die in der Förderung der beiden kirchlichen Nachrichtenagenturen idea und epd ein besonderes kirchliches Interesse sieht. Mit rund 300 jährlichen Meldungen aus dem Bereich der württembergischen Landeskirche sei idea auch ein wichtiger Bestandteil der kirchlichen Öffentlichkeitsabeit, sagte die Sprecherin des Gesprächskreises, Christel Hauding (Langenau bei Ulm).

Der stellvertretende Präsident der Landessynode, Schuldekan Horst Neugart (Heidenheim), kritisierte, daß sich die Landessynode nicht als ein verläßlicher Partner bisher bezuschußter Organisationen erwiesen habe. Der Vorsitzende des Altpietistischen Gemeinschaftsverbandes, Rektor Otto Schaude (Reutlingen), bezeichnete die Entscheidung als Signal gegen die ökumenische Zusammenarbeit in Württemberg. Zu den Stärken von idea gehöre, auch aus den Freikirchen zu berichten. Diese Informationen kämen der Landeskirche zugute.

In einer persönlichen Erklärung äußerte sich der Synodale Markus Hänssler (Holzgerlingen bei Böblingen) "entsetzt über den Angriff auf die Einheit der Kirche". Die Entscheidungen gegen die Nachrichtenagentur der Evangelischen Allianz und die Deutsche Gesellschaft für Biblisch-Therapeutische Seelsorge (DGBTS), der die Synode 42.000 Mark strich, stünden in einer längeren Reihe von Beschlüssen gegen die evangelikalen Gruppen in der Landeskirche. Sie seien eine Mißachtung einer wichtigen Minderheit. Sie bedeuteten einen schweren Schaden für die Kirche. Hänssler kündigte an, von seinem Amt als Schriftführer der Synode zurückzutreten. Auch für den geplanten Medienbeirat steht er nicht mehr zur Verfügung.


 
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