© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/99 10. Dezember 1999


Neue bürgerliche Partei in Frankreich gegründet
Michael de Wet

PARIS. Werdet politisch inkorrekt" stand auf dem Transparent, das am Rednerpult prangte, hinter dem zwei von der Optik her grundverschiedene Politiker mit einem Handschlag ihr bisheriges Wahlbündnis durch die Gründung einer neuen Partei besiegelten: Charles Pasqua, bisheriger französischer Innenminister, und Philippe de Villiers, Gründer und Vorsitzender der "Bewegung für Frankreich" (MPF), riefen die "Sammlungsbewegung für Frankreich" ins Leben.

Das Kürzel RPF des "Rassemblement pour la France" erinnert an das RPR der gaullistischen Partei von Staatspräsident Jacques Chirac. In der Tat versteht sich die neue Partei auch als die "echte" gaullistische Bewegung Frankreichs. Sie hat sich als erklärtes Ziel auf die Fahnen geschrieben, Sammlungsbewegung aller patriotischen Kräfte des Landes zu werden. Chiracs Versuch, die RPR in die Mitte zu wenden, sei ein Verrat an den Idealen des Gaullismus und Ursache für das miserable Abschneiden bei den letzten Wahlen, begründete Pasqua seinen Bruch mit der RPR.

Bei der Europawahl hatte das Bündnis von Pasqua und der seit 1994 bestehenden "Bewegung für Frankreich" (MPF) um Philippe de Villiers mit 13 Prozent der Stimmen einen überraschenden Achtungserfolg verbucht. 25.000 Mitglieder hat die "Sammlungsbewegung" nach eigenen Angaben bereits. Vor allem im Süden des Landes sollen zahlreiche frühere Anhänger der RPR die Basis der neuen Partei von de Villiers bilden. Die "Bewegung für Frankreich" hatte sich in den vergangenen Jahren überdies zum Kristallisationspunkt des intellektuellen nationalkonservativen Spektrums entwickelt – im Gegensatz zu dem eher hemdsärmelig-rechtpopulistischen Front National. Dessen Abspaltung um Bruno Mégret, die ihrerseits versucht hatte, die parteipolitische Plattform der Rechtsintellektuellen zu werden, war bei den Europawahlen gescheitert. Ein Großteil der heimatlos gewordenen Rechten dürfte sich nun der neuen RPF zuwenden und neben den Verfechtern der reinen gaullistischen Linie das zweite Standbein der neuen Bewegung werden. De Villiers genießt überdies Sympathien im Lager des konservativen Katholizismus; in der streng katholisch geprägten Vendée, seiner Heimat, ist die Partei des stets Noblesse verströmenden Adligen schon seit längerem noch vor der liberalen UDF und dem RPF stärkste bürgerlich-konservative Kraft.

Daneben könnte die "Sammlungbewegung für Frankreich" auch auf die Restbestände der konservativen Umweltschützer Anziehungskraft entwickeln. Deren "Mouvement Ecologistes Inderpendants" (MEI) um den früheren Grünen-Chef Antoine Waechter hatte bei der Europawahl 270.000 Stimmen auf sich vereinigt, war damit aber unter der Fünf-Prozent-Hürde geblieben. Die Gruppierung um de Villiers hatte sich in der Vergangenheit stets offen für ökologische Anliegen gezeigt: Für das MPF saß der prominente EU-Kritiker und Umweltpolitiker James Goldsmith im Europaparlament; Philippe de Villiers selbst gehörte Anfang des Jahres gemeinsam mit prominenten Umweltschützern zu den Initiatoren einer von Edward Goldsmith, Herausgeber des Magazins The Ecologist, gestarteten Kampagne zum globalen Klimaschutz.

Programmatisch will die neue Bewegung Akzente in der Europapolitik Frankreichs setzen. Auf dem Gründungskongreß hieß es, Chiracs Politik, die Europäische Union zu vertiefen, habe "jene Anhänger entfremdet, für die Gaullismus und der Stolz auf eine souveräne Nation untrennbar" seien.


 
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