© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/99 17. Dezember 1999


Flieger, grüß mir …
von Michael Oelmann

Fliegen wird immer billiger. Für 200 Mark geht’s schon nach Mallorca, für 550 Mark nach New York. Noch billiger geht’s nicht? Doch. In Nordrhein-Westfalen, sofern man am dortigen SPD-Kabinettstisch sitzt. Fern der großen Wirbel um Glogowski, Klimmt und Kohl, jetteten dort (mindestens) Finanzminister Schleußer, vielleicht auch Ex-Ministerpräsident Rau, auf Kosten der WestLB zu ihren Ferienzielen und Polit-Terminen. Die große Landesbank war hilfreich, wenn es um schnelle Urlaubstransfers für die im NRW-SPD-Klüngel gestreßten Spitzenpolitiker ging und zahlte deren Reisen mit einer Privatchartergesellschaft. Das ist der eine "Skandal" – doch wen überrascht das eigentlich noch? Verfilzungen zwischen Institutionen, Politik, Wirtschaft im linken Stammland, geprägt durch jahrzehntelange SPD-Vorherrschaft, sind in NRW fast schon sprichwörtlich.

Der andere Skandal freilich ist die Art und Weise, wie in Düsseldorf an der Vertuschung gearbeitet wird. Eine CDU-Anfrage im Landtag zu Beginn der Enthüllungen, ob weitere Regierungsmitglieder den Spezial-Flugdienst genutzt hätten, verneinte Schleußer eindeutig. Dann stellte sich heraus: Auch Ministerpräsident Rau, heute endlich Bundespräsident, soll mindestens fünfmal mit der "Privat-Jet-Charter" gefolgen sein. Dreiste Replik aus Schleußers Ministerium zur Falschaussage: Der Ministerpräsident gehöre ja nicht der Regierung an, sondern stehe ihr vor.

Wie gesagt: Ein Skandal unter vielen, der nur die wenigsten verwundern kann. So abgehärtet, wie das Volk die Realitäten des Polit-Business zur Kenntnis nimmt, stellt sich nur die Frage, wie tief der Sumpf noch ist. Am Fall "WestLB-Airline" könnte da noch einiges zu erwarten sein. Denn pikant ist nicht nur, daß nun auch der Name des Bundespräsidenten im Spiel ist. Auch nicht die Tatsache, daß gerade diejenigen Politiker von den Flügen profitiert haben, die die Landesbank eigentlich zu kontrollieren haben. Wie sich jetzt herausstellte, gab es bei der besagten Charterflugfirma Steuerprüfungen von gerade den Finanzbeamten, denen der begeisterte Flieger Schleußer als Minister vorsteht. Angeblich soll es Warnungen vor diesen Steuerprüfungen aus dem Finanzminsterium gegeben haben. Da kann man nur schweigen oder – zynisch sein. So überraschen weniger die Vorfälle selbst als die dreiste Dummheit der Politiker, sich für ein paar Mark zu blamieren. Doch auch wenn Glogowski und Hombach, sicherlich bald auch Schleußer, vielleicht demnächst Klimmt und eventuell auch Kohl die Zeche zahlen werden, bleibt ein schaler Beigeschmack. Die Aufdeckung dieser Skandale beweist nicht, daß das "System Demokratie" doch funktioniert. Es ist grundlegend reformbedürftig.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen